Tabellarischer Lebenslauf
1862 Geburt am 17. März in St. Vith (Kreis Eupen-Malmedy) als siebtes von neun Kindern der Eltern Mathilde und Ernst Gesell.
1878 Kaufmännische Ausbildung in der Firma seiner Brüder Paul und Roman in Berlin.
1882 Zweijähriger Aufenthalt in Malaga/Spanien als kaufmännischer Korrespondent in einer Weinhandlung.
1884 Unfreiwillige Rückkehr nach Deutschland, um dem Militär mit dem sogenannten „Einjährig-Freiwilligen-Dienst“ als Minimum an Dienstpflicht bald wieder zu entkommen. Anschließend kaufmännische Tätigkeiten in Braunschweig und Hamburg.
1887 Auswanderung als 25-Jähriger nach Argentinien und Eröffnung eines Geschäfts für zahnärztliche Artikel in Buenos Aires. Autodidaktische Überlegungen über das mangelhaft geordnete Geldwesen als Ursache der damaligen Wirtschaftskrise und der sozialen Unruhen.
1891 Erste deutschsprachige Veröffentlichung im Selbstverlag in Buenos Aires: „Die Reformation im Münzwesen als Brücke zum sozialen Staat“ mit dem Vorschlag, den Wirtschaftskreislauf mit „rostenden Banknoten“ zu stabilisieren. 1892 Fortsetzungen „Nervus rerum“ und „Die Verstaatlichung des Geldes“.
1893 Erste Veröffentlichung in spanischer Sprache: „El Sistema Monetario
Argentino“ und weitere Veröffentlichungen, u.a. über die Rolle des Geldes in der Geschichte.
1898 Veröffentlichungen in spanischer Sprache mit Vorschlägen zur Überwindung der Wirtschaftskrise in Argentinien. Beschränkung auf den Gedanken einer Steuerung der Menge des Papiergeldes.
Umsetzung von Gesells Vorschlägen in der Tornquistschen Bankreform mit positiven Folgen für den wirtschaftlichen Aufschwung Argentiniens während der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
1899 Übergabe des Geschäfts an einen seiner Brüder und Rückkehr nach Europa - zunächst nach Deutschland und dann in die Schweiz. Kauf eines Bauernhofes im Neuenburger Jura und intensive Studien der Werke von Adam Smith, Karl Marx, Pierre Proudhon, Henry George und anderen Ökonomen.
1902 Herausgabe der ersten eigenen Zeitschrift „Die Geldreform“.
1904 Erweiterung der Geldreform um Vorschläge zur Reform des Bodenrechts und Verbindung beider Reformen zu einem Ganzen im 1906 erschienenen Buch „Die Verwirklichung des Rechts auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform“.
1906 Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit in Buenos Aires und erste Überlegungen zu einer internationalen Währungsordnung in einer 1909 in spanischer Sprache verfassten Veröffentlichung.
1911 Rückkehr nach Deutschland und Ansiedlung in der Genossenschaftssiedlung Eden-Oranienburg nördlich von Berlin. Zusammenarbeit mit Georg Blumenthal und gemeinsame Herausgabe der Zeitschrift „Der Physiokrat“. Berührungen mit anderen politischen Strömungen, unter anderem mit der von Adolf Damaschke geleiteten Bodenreformbewegung und mit dem von Gustav Landauer mitgeprägten freiheitlichen Sozialismus.
1916 Verbot der Zeitschrift „Der Physiokrat“ durch die Kriegszensur und erneute Übersiedlung in die neutrale Schweiz. Herausgabe des Hauptwerks „Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ in Bern.
Vortrag im Berner Großratssaal: „Gold und Frieden?“
1917 Vortrag vor dem Weltfriedensbund in Zürich: „Freiland - die eherne Forderung des Friedens“.
1919 Vortrag in Berlin: „Der Abbau des Staates nach Einführung der Volksherrschaft“.
Auf Betreiben von Ernst Niekisch und Gustav Landauer Ernennung zum „Volksbeauftragten für das Finanzwesen“ in der ersten ‚libertären’ Bayerischen Räterepublik im April 1919. Nach deren Sturz durch eine zweite ‚kommunistische’ Räteregierung Haft im Gefängnis Stadelheim und Freispruch von der Anklage des Hochverrats im Juli 1919.
Ansiedlung in Rehbrücke bei Potsdam wegen der Unmöglichkeit, als „unerwünschter Ausländer“ in die Schweiz zurückzukehren.
Denkschriften an die Weimarer Nationalversammlung mit Vorschlägen zur Einführung einer kaufkraftstabilen Währung als Grundlage für die von rechts wie links gefährdete junge Weimarer Demokratie.
1920 Letztmalige Überarbeitung der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ und zahlreiche Broschüren und Aufsätze mit Kommentaren zum Zeitgeschehen.
Entwurf eines Konzepts für eine „Internationale Valuta-Assoziation“ als Grundlage für einen ebenso von Monopolen wie von Zöllen freien, die Völker miteinander verbindenden Welthandel.
1921 Weiterentwicklung der Bodenreform zur Vorstellung, sämtliche Bodenschätze der Erde in ein internationales Gemeinschaftseigentum zu überführen und deren Nutzung an die Zahlung von Gebühren an die Gemeinschaft zu binden.
1922 Denkschriften an die deutschen Gewerkschaften mit der Forderung an die deutsche Regierung, die Reparationsforderungen der Siegermächte des ersten Weltkriegs anzuerkennen und die Staatsfinanzen mit Hilfe einer bis zu 75%-igen Sachwertsteuer in Ordnung zu bringen.
1923 Vortrag „Der Aufstieg des Abendlandes“ in Basel als Kontrast zu kriegs- und inflationsbedingten düsteren Untergangsprophezeiungen.
1924 Beginn des letzten, eineinhalbjährigen Aufenthalts in Argentinien.
1926 Mehrwöchige Reise nach Siebenbürgen/Rumänien, um die Auswirkungen einer Agrarreform zu studieren.
1927 Spätwerk „Der abgebaute Staat“ mit widersprüchlichen Gedanken einerseits über eine Entstaatlichung von Religion und Kirche, Bildung und Kultur und andererseits über eine Entstaatlichung des Rechtswesens.
Letzter Umzug von Rehbrücke nach Eden-Oranienburg und Vorbereitung einer englischen Ausgabe der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“.
1929 Reaktion auf den Börsenkrach vom ‚Schwarzer Freitag’ mit der Forderung, die Strukturen der Geldwirtschaft zu reformieren statt die Krisenursachen bei Personen zu suchen.
1930 Tod infolge einer Lungenentzündung am 11. März in Eden-Oranienburg.