Aktuelles aus Villa Gesell

Im Frühjahr 2020 wurde in Villa Gesell das „Instituto de Estudios Económicos Silvio Gesell“ von Dr. Carlos Fernando Louge aus Buenos Aires in Zusammenarbeit mit der Municipalidad (Stadtverwaltung) von Villa Gesell und dem dortigen „Museo y Archivo Municipal“ sowie der „Comisión de Economía de la Facultad de Ciencias Económicas de la Universidad de Buenos Aires“ gegründet.
Nähere Informationen auf der Website:  http://www.institutogesell.com.ar

Mosaik-Wandbild von Melisa Sonneborn

Aus den Materialien Keramik, Fliesen, Veneziten, Glas und Smalti schuf die in Villa Gesell lebende Künstlerin Melisa Sonneborn zu diesem Anlass ein neues Mosaik-Wandbild von Silvio Gesell

Eindrücke von der Gründungsveranstaltung:
https://www.youtube.com/watch?v=yq4QMzncTNE&feature=youtu.be

Programm der 1. Wissenschaftlichen Tagung   PDF-Download

Bettyna Feal (Museumsleiterin) und Melisa Sonneborn (Künstlerin)

 

♦  Sonja Tomys (91), Silvio Gesells in Villa Gesell lebende Tochter, über ihren Vater:  https://www.youtube.com/watch?v=deYzhAHSJFA&t=56s 

 

♦  Zu Villa Gesell und dem Gründer Carlos Gesell vgl. auch das Buch von Uwe Timm  „Der Verrückte in den Dünen – Über Utopie und Literatur“
https://www.kiwi-verlag.de/buch/uwe-timm-der-verrueckte-in-den-duenen-9783462054415

 

 

 

 

Villa Gesell - Kurze historische Beschreibung

Carlos Gesell

 Im Jahre 1931 beschloss Carlos Idaho Gesell, ein 1891 in Argentinien geborener Sohn des deutsch-argentinischen Kaufmanns und Sozialreformers Silvio Gesell (1862–1930), 400 km südlich von Buenos Aires an der Atlantikküste 1648 Hektar Wanderdünen zu kaufen. Zunächst wollte dieser wohlhabende Geschäftsmann diese Wanderdünen mit Kiefern bepflanzen; aus dem entstehenden Wald wollte er das nötige Holz für die Herstellung von Baby- und Kindermöbeln gewinnen, die in dem berühmten Familiengeschäft „Casa Gesell“ in Buenos Aires verkauft wurden.

Wanderdünen nördlich von Villa Gesell

In dem ersten von Carlos Gesell während der 1930er Jahre in den Dünen errichteten Haus befinden sich heute ein Museum und ein Archiv. Darin werden die Entstehung und Entwicklung von Villa Gesell dokumentiert und es gibt auch Informationen über das Leben und Werk von Silvio Gesell.

Museo y Archivo Historico Municipal
Villa Gesell in den ersten Anfängen - 1937

Das Befestigungssystem der Dünen wurde von Carlos Gesell selbst entwickelt. Insbesondere hat er Espartogras benützt, ein von Natur aus vorhandenes Gras der Dünen, das lange und starke  Wurzeln ausbildet. Er hat Raster von 10 x 10 m vorbereitet und darin große Mengen von Gräsern und Hülsenfrüchten angesät, um viel Stickstoff in den Boden einzubringen. Obwohl er botanische Experimente mit vielfältigen Pflanzenarten aus aller Welt unternahm, blieben die Versuche die Dünen zu bepflanzen, 10 Jahre lang ohne Erfolg.

 Daraus zog Carlos Gesell eine Lehre. Anstelle seines ursprünglichen Holzanbauprojekts ging er im Jahr 1941 zu dem Versuch über, einen Badeort in den Dünen zu gründen. So entstand  das erste Häuschen für Touristen „La Golondrina“ („Die Schwalbe“). Der erste Tourist aus Buenos Aires empfahl diesen Ort weiter. Seitdem ist aus Villa Gesell tatsächlich ein Badeort geworden.
   Die Entwicklung Villa Gesells lässt sich über Jahrzehnte anhand von Bevölkerungs- statistiken und Baugewohnheiten verfolgen. Die Stadtplanung erfolgte lange Zeit nach den an deutschen Stadtplanungen orientierten Vorstellungen von Carlos Gesell. Im Jahre 1943 wurde ein befestigter Weg zwischen Villa Gesell und der Provinzlandstraße Nr. 11 gebaut, um eine Direktverbindung herzustellen, da die Eisenbahn von Buenos Aires nur bis zum Bahnhof im Nachbarort „Juancho“ fuhr.

 Im selben Jahr wurde das „Playa Hotel“ als erstes Hotel in Villa Gesell eröffnet, danach die Pension “Gaviota“ und das „Parque Hotel“. Die ersten Gebäude waren im Stil einer mitteleuropäischen Architektur erbaut; man kann sie noch heute mit ihren Satteldächern, Zeltdächern, verputzten weißgestrichenen Wänden, harthölzernen Klappläden, Schutzdächern und Türen betrachten.
   Nachdem Carlos Gesell sich endgültig in Villa Gesell niedergelassen hatte, parzellierte er die Grundstücke in der Umgebung seines Wohnhauses. Die ersten Parzellen entstanden zwischen dem „Boulevard Silvio Gesell“ und der „Circunvalación Straße“. Es waren „quintas“ von der Größe eines Hektars, die wegen eines Gesetzes so aufgeteilt werden mussten. Die Parzellen waren großzügig und die Idee war, dass man auf der höchsten Spitze der Dünen bauen sollte. Die geschlängelte Trassierung der Alleen und Straßen war von Carlos Gesell beabsichtigt, denn als Liebhaber der Natur  wollte er die typischen Merkmale der Topographie bewahren. Diese Auffassung von Stadtplanung durchbrach die typisch spanische Quadratur.
   In Erinnerung an seinen Vater gab Carlos Gesell ‚seinem’ Ort ursprünglich den Namen „Villa Silvio Gesell“. Um den Namen des Ortes einfacher aussprechen zu können, wurde daraus im Laufe der Zeit „Villa Gesell“.
 Allerdings setzte Carlos Gesell nicht die bodenreformerischen Gedanken seines Vaters in die Praxis um. Statt das Land zu öffentlichem Eigentum zu  erklären und  zu verpachten, verkaufte  er nach
und nach Grundstücke, denn er hatte die mehr als zehnjährige Pionierphase aus eigenen Mitteln finanziert und benötigte nunmehr auch Geld für Infrastrukturmaßnahmen.

 1960 richtete Carlos Gesell eine besondere Nomenklatur für die Straßen des nördlichen Stadtviertels ein, welche die ältesten von Villa Gesell sind. Die parallel zum Meer verlaufenden Straßen heißen „Alameda“ (Alleen)  und sind beginnend mit 201 aufwärts nummeriert. Die senkrecht zum Meer verlaufenden Straßen heißen „Calles“ (Straßen); ihre Nummerierung beginnt bei 301. Das nördliche Stadtviertel ist ein reines Wohnviertel mit hübschen außergewöhnlichen Häusern im ältesten Kiefernwald, der hier am Meer entstand.
   In den 1970er Jahren wuchs Villa Gesell ungewöhnlich schnell zu einem nach Ansicht der Zeitung „La Prensa“ am meisten europäischen Badeort Argentiniens heran. Das ruhige Leben und die legeren Lebensgewohnheiten zogen auch junge Intellektuelle ebenso wie Handwerker, Kunsthandwerker, Künstler und Musiker aus Buenos Aires an. So wurde aus dem Dorf eine Stadt. Dazu führte unter anderem ein erfolgreicher Verkauf von Grundstücken. Das städtische Entwicklungskonzept nannte sich „Plan galopante“ und beruhte auf der Überlegung von Carlos Gesell, den Ort weiter nach Süden auszudehnen.
   Für seine große Pionierleistung wurde „Don Carlos“ 1971 anlässlich seines 80. Geburtstags mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, das ihm der deutsche Botschafter in Argentinien überbrachte.

Villa Gesell - 1965 (links) 1978 (rechts)

In den 1980er und 1990er Jahren kamen große Einwanderungswellen nach Villa Gesell, wodurch die Bodenpreise rasant anstiegen und Spekulationen auslösten. Mittlerweile hat die Stadt mehr als 25.000 Einwohner. Viele von ihnen kamen aus dem Großraum Buenos Aires, um hier eine bessere Lebensqualität zu finden. Zudem kommen jährlich inzwischen weit über 100.000 Touristen nach Villa Gesell.

 Im Norden grenzt Villa Gesell heute an Carilo (Gemeinde Pinamar), im Süden an den „Canal 5“ von Mar Chiquita, im Osten an das argentinische Meer und im Westen an die Landstraße Nr. 11 „Interbalnearia“, wo der Dünenstreifen in die Pampa übergeht. Außerhalb des Ortes befinden sich ein Friedhof und ein Flughafen.
   In den letzten Jahren haben sich weitere Orte im Süden von Villa Gesell entwickelt: Mar de las Pampas, Las Gaviotas und Mar Azul.In Mar de las Pampas reicht die Ebene der feuchten Pampa bis ans Meer heran. Dort wurden die Straßen der Topographie der Dünen angepasst, während die anderen Dörfer die gewöhnliche viereckige Straßeneinteilung erhielten. 1984 wurde eine Verbindungsstraße zwischen Villa Gesell, Mar de las Pampas, Las Gaviotas und Mar Azul eröffnet. Seit 2000 sind die drei Dörfer sehr stark gewachsen. Für Touristen bieten sie alle Bequemlichkeiten sowie wunderschöne Wälder und endlose breite Strände, die von hohen Dünen geschützt sind. Südlich von Villa Gesell gibt es außerdem ein ausgedehntes Naturschutzgebiet „Faro Querandí“, in das man nur mit Geländefahrzeugen gelangen kann.