Gesammelte Werke | Nachträge


Kurze Zeit nach dem Erscheinen von Band 18 der Gesammelten Werke mit Gesells Korrespondenzen wurden noch vier Briefe an Ernst Niekisch und ein Brief an den damaligen Berliner Bürgermeister Gustav Boess gefunden und als „Nachträge“ in den Registerband aufgenommen. (Lütjenburg 2000, S. 12–14)

Bei seinen Nachkommen in Argentinien tauchten im Jahr 2006 weitere Briefe auf, die Gesell u.a. an Prof. Dr. Ernst Haeckel, Lenin, Joseph Wirth, Gustav Stresemann, Hjalmar Schacht und Prof. Dr. Irving Fisher geschrieben hat. Außerdem fand sich ein längeres Manuskript mit dem Titel „Proletarische Hoffnungen und Aktionen“ wieder, das im Winter 1917/18 in Les Hauts Geneveys (Schweiz) entstanden ist und damals unveröffentlicht blieb. Gesell sandte dieses Manuskript nach eigenen Angaben an Dr. Fritz Trefzer. Nach dessen Tod gelangte es 1927 nicht mehr ganz vollständig in die Hände von Fritz Schwarz, der dann einzelne Auszüge in den Nummern 24, 25, 27 und 28/1927 der schweizerischen „Freiwirtschaftlichen Zeitung“ abdruckte.

Im März 2020 entdeckte Beate Bockting, die Redakteurin der Zeitschrift „Fairconomy“, einen Hinweis im Internet auf ein unveröffentlichtes Manuskript „Noten-Monopol“ von Silvio Gesell. Angeboten wurde es vom Antiquariat Peter Petrej in Zürich/Schweiz. Diese Handschrift befindet sich in einem Schreibheft mit dem Aufdruck „Papeterie F. Bickel-Henriod Neuchatel“. Während seiner beiden längeren Aufenthalte in der Schweiz von 1900 bis 1906 und von 1916 bis zum Winter 1918/19 bewohnte Gesell mit seiner Familie einen Bauernhof in Les Hauts Geneveys, wenige Kilometer entfernt von Neuchâtel im Neuenburger Jura. In der dortigen „Papeterie F. Bickel-Henriod“ dürfte er seine Schreibutensilien eingekauft haben.

Diese Handschrift ist nicht datiert. Vermutlich entstand sie gegen Ende des Ersten Weltkriegs, denn sie beginnt mit dem Satz: „Der S.F.F.B. mit Sitz in Bern stellt an die Bundesbehörden folgenden Antrag.“ Die Abkürzung „S.F.F.B.“ stand für den 1915 gegründeten „Schweizer Freiland-Freigeld Bund“, der seine Geschäftsstelle in Bern hatte und sich 1920 in „Schweizer Freiwirtschaftsbund“ umbenannte. Erwähnt wird in dieser Handschrift eine Eingabe des S.F.F.B. an das Schweizer Finanzdepartement. Es könnte sich dabei um eine Denkschrift „Ein eidgenössisches Währungsamt“ gehandelt haben, die Fritz Trefzer und Dr. Ernst Schneider im Namen des S.F.F.B.-Vorstands am 18.9.1918 an das Schweizer Finanzdepartement sandten, als dort über eine Revision des Nationalbankgesetzes debattiert wurde.

Aus der Handschrift Gesells geht seine Bereitschaft und die seiner Mitarbeiter hervor, die Verantwortung für die Währungspolitik vorübergehend selbst zu übernehmen und die Amtsführung von den Bundesbehörden beaufsichtigen zu lassen. In dieser Hoffnung, die Schweizer Währungspolitik in Ordnung bringen zu können, kündigte sich bereits dieselbe Hoffnung an, die Gesell wenige Monate später bewog, dem Ruf von Ernst Niekisch, Erich Mühsam und Gustav Landauer nach München zu folgen und das Amt des Volksbeauftragten für das Finanzwesen in der erste Münchener Räterepublik zu übernehmen.  

Auf der Innenseite des vorderen Umschlags der Handschrift befindet sich ein handschriftlicher Vermerk von Silvio Gesell: „Polizeidirektor Schneeberger Zingg“. Was es damit auf sich hatte, lässt sich nicht mehr genau sagen.

Unter welchen Umständen diese Handschrift danach erhalten geblieben ist, ist unbekannt. In einer Mail vom 22.3.2020 gab Peter Petrej die folgende Auskunft darüber, wie diese Handschrift in sein Antiquariat gelangt war: „Das Buch habe ich aus dem Nachlass der Schweizer Kommunistin Lotte Hümblein, Autorin des Buches ‚Mein eigener Kopf - Ein Frauenleben in Wien, Prag, Paris u. Zürich‘. Zürich: Edition 8, 1999. 360 Seiten. - Charlotte Bindel (geb. 1908), Wiener Jüdin u. Kommunistin, lebt ab 1934 - 1936 im Prager Exil. Im Winter 1936 verbringt sie den Urlaub in der Schweiz, wo sie ihren zukünftigen Ehemann Alfred Hümblein, einen politischen Aktivisten, kennenlernt. Sie arbeitet in Paris für die Internationalen Brigaden. 1938 Asylgesuch in der Schweiz – es wird abgelehnt. Sie reist nach London und heiratet dort Alfred Hümblein. In der Schweiz Mitarbeit in der KPS und späteren PdA.“

      Werner Onken

Manuskript „Proletarische Hoffnungen und Aktionen“ | Teil 1:
Vorwort | Proletarische Hoffnungen | Die Hoffnungen auf den Weltkrieg | Die Hoffnungen auf die Weltrevolution | Die Hoffnung auf die „Konzentration des Kapitals“ | Die Anziehungskraft des Zukunftsstaates auf die nichtsozialistischen Arbeiter | Was uns die Ruinen Babylons, Athens, Roms sagen
Manuskript „Proletarische Hoffnungen und Aktionen“ | Teil 2:
Proletarische Aktionen | Der Achtstundentag | Steuerpolitik | Streikpolitik | Teuerungsaktionen | Krisenaktionen | Mieterstreik | Postsparkasse | Versicherungswesen
Manuskript „Proletarische Hoffnungen und Aktionen“ | Teil 3:
Direkte proletarische Aktionen für die Herbeiführung von Freiland und Freigeld | Die Übernahme der Nationalbank durch die schweizerischen Gewerkschaften
Manuskript „Noten-Monopol“
Briefe