Gesammelte Werke | Nachtrag
Proletarische Hoffnungen und Aktionen [Teil 3]
(unvollständiges und unveröffentlicht gebliebenes Manuskript aus dem Winter 1917/18)
Übersicht - Teil 3:
4 Direkte proletarische Aktionen für die Herbeiführung von Freiland und Freigeld
5 Die Übernahme der Nationalbank durch die schweizerischen Gewerkschaften
4 Direkte proletarische Aktionen für die Herbeiführung von Freiland und Freigeld
Proletarier betrachte deine Waffe, die Waffe mit der dich die Natur ausrüstete, deine Fäuste! Betrachte sie genau! Sie sind nicht mit Krallen versehen wie die des Raubgesindels, sie sind nicht glatt wie die des Wucherers, sie sind nicht geübt den Säbel zu rühren wie die des Soldaten. Aber schwielig sind sie. Sie sind gerade so, wie sie es sein müssen, um das Kapital zu überwinden. Nicht für Raub und Zerstörung, sondern für den Aufbau des sozialistischen Staates, für friedliche, Lebensfreude und Kultur bringende Arbeit sind sie geschaffen. Gebrauche sie entsprechend und du wirst sie alle in kurzer Zeit in den Staub werfen, die Raubtiere, die Wucherer und Ausbeuter. Die Freigeld– Kapitaltheorie legt dein Heil, das Heil der Menschheit in deine Fäuste. Durch fleißige, unverdrossene, klug geleitete Arbeit sollst du das Kapital in einer Überproduktion an Kapital ersäufen! An Stelle des fatalistischen Zuwartens verlangt die neue Kapitaltheorie von dir die Tat, die dir am nächsten liegt, die Arbeit. Durch deine Arbeit entstand schon immer die Überproduktion an Waren, deren Umsatz in Kapital durch die Autokapitalsabotage verwehrt wurde. Jetzt soll durch das Freigeld dieses Wehr niedergerissen werden, so dass sich die aus deiner Arbeit erwachsende Warenüberproduktion in Kapitalüberproduktion umsetzen kann. Und mehr ist nicht nötig, um den Mehrwert, den Zins spurlos zu versenken.
Solange der Arbeiter nur singen konnte: „Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will“, lachte sich der Kapitalist ins Fäustchen. Das Stilliegen der Räder, das war es ja, was ihm, dem Kapitalisten half. Das Problem des Arbeiters aber heißt gerade umgekehrt, alle Räder sollen laufen, solange es meinen Arbeiterinteressen entspricht, solange es noch Spuren von Zins und Ausbeutung gibt auf der Erde. Den rastlosen ununterbrochenen Lauf der Räder gegen die Interessen des Kapitals zu erzwingen, die Autokapitalsabotage zu verunmöglichen, das ist das Problem des Arbeiters. Und dieses Problem löst Freigeld. Alle Räder sollen jetzt laufen, schwirren, ächzen, solange es deinen Interessen entspricht. (Trefzer schlug vor: „Alle Räder sollen laufen, soll das Kapital ersaufen.“)
Wie aber sollen die Arbeiter zum Freigeld kommen? Dass die Kapitalisten sich gegen das Freigeld, das ihnen das Mittel zur Autokapitalsabotage aus den Händen windet, mit Händen und Füßen, d. h. mit Lüge und Schwindel und vielleicht noch mit den Mitteln der Staatsgewalt wehren werden, ist ja klar. Glücklicherweise liegt aber die Macht des Geldes nicht bei denen, die das Geld haben, sondern bei denen, die das Geld je nachdem annehmen oder zurückweisen können. Verweigert der Arbeiter die Annahme des kapitalistischen Geldes, so ist auch schon die Macht dieses Geldes gebrochen. Geld kann jeder machen. Die Kunst besteht darin, es den Arbeitern aufzuzwingen. Verkauft der Arbeiter seine Produkte gegen das Geld, das die Aktionäre der Nationalbank aus Lumpen herstellen, so ist damit die einzige Bedingung erfüllt, um aus Lumpen Geld zu machen. Verweigern aber die Arbeiter die Annahme dieses Geldes, so verwandelt sich das Geld der Nationalbank wieder in das, was es war, in Lumpen und Makulatur. Vereinbaren die Arbeiter, dass sie vom 1. Mai an nur das von ihnen selbst ausgegebene Geld für Leistungen und Arbeitsprodukte annehmen und jedes andere Geld zurückweisen werden, so ist mit dieser Vereinbarung allein schon ihr Geld das einzig gültige, das einzig mögliche Geld. Was nützen dem Rentier, Wucherer, Spekulanten, Bankier noch die bunten Lappen, die schweren Fünflibers und die glänzenden Goldmünzen, wenn der Arbeiter sie zurückweist und Zahlung seiner Leistungen in dem von ihm hergestellten und verwalteten Geld verlangt?
Und der Staat? Ja, was will auch dieser Büttel der Kapitalisten, wenn seine „Festbesoldeten“ gemeinsame Sache mit den Arbeitern machen und nur noch das Arbeitergeld annehmen? Wie will dann der Staat seine Parteinahme für das Geld der Kapitalisten begründen? Hier muss der Staat Farbe bekennen. Alle Ausflüchte sind ihm versperrt. Der Staat muss zur neuen Kapitaltheorie öffentlich Stellung nehmen und wenn er sich gegen das Freigeld wendet, so muss er es öffentlich damit begründen, dass man den Kapitalisten nicht das Recht nehmen darf, nach Belieben den Geldumlauf zu sperren und die im Interesse des Zinses nötig werdende Kapitalsabotage zu üben, nach Gutdünken Krisen zu erzeugen und die Arbeiterwelt der Arbeitslosigkeit und dem Elend auszuliefern. Der Staat kann es ja versuchen, ob seine Macht zu solchem öffentlichen Bekenntnis ausreicht, ob er das Lügengespinst der Goldwährungsliteratur zu seiner Geldtheorie machen darf. Das Freigeld scheidet scharf Wahrheit und Dichtung, Arbeit und Wucher, Recht und Unrecht, Arbeiter und Rentnertum. Und die Staatsverwaltung wird sich entscheiden müssen, ob sie zur Rechten Gottes oder zu der des Teufels sich setzen will. Im letzteren Fall darf sie sich aber nicht wundern, wenn sie zum Teufel gejagt wird.
Freilich zu alledem gehört die geeinte Macht des Arbeitertums. Alle, alle, die vom Ertrag ihrer persönlichen Arbeit leben, sollen sich zusammentun und den Geldstreik proklamieren. Wie dieser praktisch durchgeführt wird, ersieht man aus folgenden Ausführungen, die dem „Physiokrat“ (Berlin) und der „Freistatt“ (Bern) entnommen sind. (…)
Nachwort: Das sog. Greshamgesetz, das in obiger Darstellung eine so wichtige Rolle spielt, wird zwar in der Währungsliteratur oft erwähnt, dürfte aber in der sozialistischen Welt, wo man die Währungsfrage kaum dem Namen nach kennt, so gut wie unbekannt sein. Einige Worte der Erklärung sind also hier am Platze. Gresham sagte: Man bezahlt, wenn man die Wahl hat, immer mit der schlechteren von zwei Münzen. Hat man im Beutel neue und verschlissene Münzen, echte oder falsche oder verdächtige, so greift man automatisch nach den letzteren. Ungleiche Münzen haben aber nur innerhalb der Landesgrenzen gleiche gesetzliche Zahlkraft. Im Auslande, wo die Münzen nur nach Gewicht gelten, gelten die neuen mehr als die verschlissenen – darum sucht man für den Export von Geld die vollwichtigen aus. So kommt es, dass der Zahlungsverkehr im Inland sich hauptsächlich mit dem schlechteren Geld vollzieht und dass bei passiver Zahlungsbilanz das schlechtere Geld das bessere über die Grenze anschiebt. Im Wettbewerb, als Zahlungsmittel, bleibt die schlechtere Münze immer Siegerin; ihr muss das bessere Geld ganz gesetzmäßig das Feld räumen. Je schlechter und unsicherer eine Geldart, umso stärker ist sie ihren Wettbewerbern gegenüber. Auf das Freigeld und den Geldstreik der Proletarier angewandt, bedeutet das Greshamgesetz, dass das Geld der Proletarier umso sieghafter den Wettbewerb mit dem Geld der Kapitalisten bestehen muss, je schlechter und unsicherer diesen das Freigeld erscheint. Auch der Kapitalist wird, so oft er die Wahl hat, mit Freigeld bezahlen.
5 Die Übernahme der Nationalbank durch die schweizerischen Gewerkschaften
Nachdem durch den Freigeldstreik das Proletariat sich zum Diktator auf dem wichtigsten Gebiete der Staatsverwaltung erhoben hat, wird es sich darum handeln, nun auch die damit gewonnene gewaltige Macht aufbauend im Interesse des gesamten Volkes auszunutzen. Will der proletarische Diktator nicht auf dem Schafott enden, so muss er ein Baumeister sein, d.h. ein Meister in alledem, was er beginnt.
Das Freigeld bedarf einer Verwaltung. Wahrscheinlich würde sich nach dem sieghaften Durchbruch des Freigeldstreikes die Nationalbank nun bereit erklären, diese Verwaltung in die Hand zu nehmen, wenn auch nur um zu retten, was noch zu retten ist von den Vorrechten des Geldes. Diesem Versuch muss sich das Proletariat widersetzen. Das Geld ist eine volkswirtschaftliche Einrichtung und kann darum zweckdienlich nicht von privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten aus verwaltet werden. Und die Nationalbank ist doch eine auf Profit, Zins und Dividenden angewiesene Aktiengesellschaft. Wenn sie auch wollte, die Nationalbank kann einfach nicht volkswirtschaftlich denken, denn zwei Seelen wohnen, ach, in ihrer Brust.
Darum darf das Proletariat die Verwaltung des Freigeldes unter keinen Umständen der Nationalbank übertragen. Am besten wird es sein, den unpolitischen Arbeiterorganisationen, den Gewerkschaften und Konsumvereinen die Verwaltung des Freigeldes zu übertragen. Nun wird mancher hier gleich an das Aktienkapital der Nationalbank denken und sich sagen: Woher nimmt aber das Proletariat das „Kapital“ zur Verwaltung des Freigeldes? Eine zwar recht naive aber verzeihliche Frage. Ist doch der Proletarier von Kind an gewöhnt worden, das Kapital mehr anzustaunen und zu fürchten als seinen Schwächen nachzuspüren. Was wissen selbst die Arbeiterführer vom Geldwesen?
Der Freigeldstreik hat der Nationalbank das Monopol der Geldausgabe, diese Hochburg des Kapitals, aus den Händen gewunden und es dem Proletariat ausgeliefert. Und dieses Monopol ist an sich ein Kapital – und was für eins!
Was das Geldmonopol als Kapital bedeutet, erhellt aus der Tatsache, dass z.B. die Reichsbank mit einem Aktienkapital von 240 Millionen einen Notenumlauf von 12.000 (zwölftausend) Millionen unterhält, das ihr zu 5 % an Zins in weniger als fünf Monaten das ganze Kapital der Aktionäre abwirft. Käme der Gesamtertrag des Notenmonopols unter die Reichsbankaktionäre zur Verteilung, so würden sie alle fünf Monate 100 % Dividende einstreichen!! Und ähnlich verhält es sich heute mit allen Notenbanken. In der Schweiz mit einem Aktienkapital von 40 Millionen und einem Notenumlauf von 800 Millionen würde der Zins eines Jahres genügen, das Aktienkapital der Nationalbank zu tilgen, falls man die völlig überflüssigen Goldreserven abstoßen würde. Und könnte man sich entschließen, die lästigen, fast lächerlich wirkenden Silbermünzen einzuschmelzen, so könnte die Emission von 800 auf 1000 Millionen gebracht werden.
Wenn es also hier noch eine Frage gibt, so wäre es vielleicht die, was mit dem Ertrag des Notenmonopols gemacht werden soll. Hier genügt der Beweis, dass das Notenmonopol an sich ein Kapital ist und dass die Gewerkschaften keines besonderen Kapitals zur Übernahme der heute der Nationalbank übertragenen Aufgabe bedürfen.
Wichtig dagegen ist die Frage, nach welchen Gesichtspunkten die sozialistische Geldverwaltung das Geldmonopol verwalten soll. Hier muss ich mich auf die Literatur des Schweizer Freiland- und Freigeld-Bundes berufen, worin diese Frage nach allen Seiten erwogen und gelöst wird. Es genügt hier zu erwähnen, dass, wenn in der Verwaltung des Geldmonopols nur noch öffentliche volkswirtschaftliche Gesichtspunkte die Richtung zu geben haben, wie das selbstredend in einer sozialistischen Verwaltung der Fall sein muss, dann zur Verwaltung des Geldmonopols keinerlei finanztechnische Vorkenntnisse nötig sind und dass dann Jedermann befähigt ist, das Amt eines verantwortlichen Direktors des Geldverwaltung zu übernehmen. Vom öffentlichen Wohl aus betrachtet, ist der Aktionskreis der Geldverwaltung scharf durch die sog. Absolute Währung begrenzt, die darin besteht, dass die Geldverwaltung die Notenausgabe den Ergebnissen einer Warenpreisstatistik anzupassen hat. Die Geldverwaltung druckt Geld und setzt dieses in Umlauf, so oft und so lange die Warenpreise abwärts streben, und sie zieht umgekehrt Geld ein und verbrennt es, wenn die Preise aufwärts streben. Das ist alles, was bei der Verwaltung des Geldmonopols als verantwortliche Handlung von Bedeutung in Betracht kommt.
Und auch noch diese einfache Handlung wird noch dadurch ganz außerordentlich erleichtert, dass mit dem Freigeld alle Spekulationskapitalien, die heute nur zu oft den Zielen einer vernünftigen wissenschaftlichen Währungspolitik im Wege stehen, restlos und automatisch aufgelöst werden, wie das in den Schriften des S.F.&F.B. ausführlich dargelegt ist.
Grundlage und Richtpunkt für die Leitung der Freigeldverwaltung bildet die Warenpreisstatistik, von der oben die Rede war. Auch diese muss das Proletariat selber in die Hand nehmen. Sie ist auch sonst von höchster Bedeutung, um bei den Lohnkämpfen endlich einmal einen festen Vergleichspunkt zu schaffen. Von den Landesbehörden wie auch von der Nationalbank ist nicht zu erwarten, dass sie einmal ernsthaft an die Ausführung dieser von allen Sozialpolitikern als unentbehrlich erachteten Arbeit gehen werden. Denn die Kapitalisten und ihre Angestellten auf den Hochschulen fürchten das Licht, das von hier aus auf die Hochburg des Kapitals, auf ihren Schützling, auf die Goldwährung fallen würde. Nur das Proletariat braucht die Resultate solcher statistischen Arbeit nicht zu fürchten; darum kann auch nur das Proletariat diese Aufgabe wirklich sachlich lösen. Wie diese Statistik zu führen ist, darüber in den Schriften des Schweizer Freiland und Freigeld Bundes.
Die Geldverwaltung kann das Proletariat durch den Geldstreik natürlich ebenso an sich reißen wie es sich im Geldstreik selbst als allmächtig erwies. In keiner öffentlichen Angelegenheit ist die Macht des geeinten Proletariats so durchschlagend wie gerade im Geldwesen. Aber vielleicht wird es gar nicht einmal eines Streikes bedürfen. Vielleicht genügt der gesetzliche Weg. Auf alle Fälle dürfte man es so versuchen und durch die sozialdemokratischen Parlamentarier folgenden Gesetzentwurf zur Abstimmung bringen lassen:
I. Da es notorisch ist, dass unter der Leitung unserer Nationalbank die Warenpreise stark gestiegen sind und damit der Beweis erbracht ist, dass die Nationalbank ihre Hauptaufgabe nicht erfüllt, die darin bestehen soll, den Geldumlauf zu regeln, so wird der Nationalbank das Recht der Notenausgabe entzogen.
II. Da es sich ferner bei näherer Betrachtung herausstellt, dass eine Aktiengesellschaft (Nationalbank), die auf Dividenden angewiesen ist und daher vor allem privatwirtschaftlich sich orientieren muss, nicht auch zugleich volkswirtschaftliche Politik treiben kann, dass vielmehr die Gewerkschaften, die Konsumvereine, die beruflichen Organisationen, die Verbände der Festbesoldeten usw., die an der strikten Aufrechterhaltung der Währung in erster Linie interessiert sind, eine solche volkswirtschaftliche Aufgabe naturgemäß besser im volkswirtschaftlichen Sinne lösen werden, so wird die Notenausgabe zum Monopol der genannten Organisationen erhoben und das von diesen Organisationen ausgegebene Freigeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel der Schweiz erhoben.
III. Die genannten Organisationen, die sich zur Übernahme des Notenmonopols bereit erklären, verpflichten sich zu folgenden Leistungen:
1.) Sie werden die absolute Währung einführen und dadurch die schweizerische Währung vor jeder allgemeinen Hausse oder Baisse, vor Inflation und Depression, vor Hochkonjunkturen und Flaue schützen.
2.) Schutz der schweizerischen Volkwirtschaft vor Handels-, Finanz- und Wirtschaftskrisen, vor Börsenkrach, Preis- und Kursstürzen.
3.) Schutz der schweizerischen Volkswirtschaft vor den Raubzügen der Börsen und der Spekulation.
4.) Sicherung, Beschleunigung und Verbilligung des allgemeinen Warenaustausches und Herabsetzung der allgemeinen Profitrate von heute 40 % auf 10 % .
5.) Erübrigung der meisten Warengeschäfte und allmählicher Übergang des überflüssig werdenden Handelspersonals zur Produktion.
6.) Schaffung der finanziellen Grundlagen für den absoluten Freihandel.
7.) Organische (kostenlose) Versicherung aller Arbeitswilligen gegen allgemeine Arbeitslosigkeit, vollkommene Auflösung der Arbeiterreserve.
8.) Verhinderung der Autokapitalsabotage.
9.) Herbeiführung einer ständig wachsenden Kapitalüberproduktion mit entsprechendem Druck auf den Kapitalzins.
10.) Völlige Beseitigung des Zinses (Mehrwerts) bei internationaler Einführung des Freigeldes.
11.) Bei internationaler Einführung des Freigeldes Verbindung der absoluten Währung mit absoluter Festigkeit der Wechselkurse.
12.) Vernichtung des den Bürgerfrieden gefährdenden Proletariats infolge der allmählichen Rückführung der Produktionsmittel in den Privatbesitz der Arbeiter.
13.) Verwendung der aus dem Feigeldmonopol erwachsenden Einnahmen von 5 % des gesamten Geldumlaufs, jährlich etwa 30 Millionen, zum Erwerb von eidgenössischem Freiland.
Über die Aussichten eines solchen Gesetzentwurfes will ich hier nicht prophezeien. Es sei hier nur bemerkt, dass nur der, der die Wirkungen des Freigeldes nicht haben will, der das Kapital vor allem schützen will und dieses offen zugibt, sich gegen diesen Gesetzesvorschlag erheben kann. Aber wer dürfte heute offen die Partei des Kapitals vertreten, wer dürfte es wagen, von einem Rechte auf Zins und arbeitsloses Einkommen, von einem Rechte auf Kapitalsabotage, auf ein Recht, Krisen und Arbeitslosigkeit über das Land zu verhängen, um einer Kapitalüberproduktion zu wehren? Wer darf offen in dieser aufgeregten Zeit erklären, er wolle das proletarische Geld nicht, weil man damit nicht wuchern, spekulieren und das Land in den Bürgerkrieg treiben kann?
Mit dem Freigeld und seiner Verwaltung hat das Proletariat den Schlüssel zur kapitalistischen Zwingburg in der Hand. Und wenn es dann einmal zur Revolution käme – diesmal käme sie von „oben“ – was vermöchten die revolutionierenden Reaktionäre jetzt noch ohne das Notenmonopol gegen die sozialistische Ordnung? Wer das Geldwesen in der Hand hat, der setzt immer seinen Willen durch. Haben die Arbeiter einmal den Kapitalisten das Geldwesen aus den Händen gewunden, so sind diese ebenso machtlos wie die Arbeiter aus dem gleichen Grund bisher machtlos waren. Diese konnten zwar die Räderwerke zum Stillstand bringen, aber was erreichten sie damit? War das nicht immer ein Schnitt ins eigene Fleisch des Proletariats? Jetzt mit dem Freigeld braucht das Proletariat keine Revolution mehr; es kann jetzt in Ruhe die Entwicklung der Dinge abwarten. Wenn es aber doch noch einmal dazu gerieben würde (eine solche Zwangslage kann man sich eigentlich nicht mehr vorstellen), so wird das Proletariat auch die Mittel haben, die Revolution zu „finanzieren“ und, was besonders interessant am Freigeld ist, während der Revolution die gesamte Volkswirtschaft in Vollbetrieb erhalten, was an sich schon genügt, um jeder Revolution den Erfolg zu sichern.
Wie anders sähe es jetzt in Russland aus, wenn Lenin die Revolution mit dem Geldstreik begonnen und sich mit dem Freigeld die Herrschaft über das Geldwesen gesichert hätte? Man erinnere sich, dass Kerensky um den Preis einer Offensive sich Geld aus Amerika kommen lassen musste – und dass diese Offensive ihm seine Stellung kostete.
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