Werner Onken:
Carl von Ossietzky und Silvio Gesell - Eine Begegnung zweier Gedankenwelten
In ihrem wirklichen Leben sind sich Carl von Ossietzky und Silvio Gesell nie begegnet. Gleichwohl gab es sehr viel, was sie sich in den 1920er Jahren zu sagen gehabt hätten. Im Anschluss an kurze biografische Skizzen soll in zwei fiktiven Dialogen deutlich werden, wie sich die unterschiedlichen friedenspolitischen Anliegen von Ossietzky und Gesell berühren und miteinander verbinden lassen.
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Carl von Ossietzky (1889–1938):
„Es ist unsere höchste Pflicht, uns mit aller Kraft für die Durchdringung Deutschlands mit pazifistischem und demokratischem Geist einzusetzen. ... Deutschlands Anschluss an die demokratische Welt kann nur erfolgenim Zeichen des Pazifismus.“ [1]
Die Familie Ossietzky stammte ursprünglich aus dem verarmten oberschlesischen Kleinadel. In der Hoffnung auf ein besseres Leben zogen die Eltern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Hamburg. Dort kam Carl von Ossietzky am 3. Oktober 1889 auf die Welt. Die religiösen Gegensätze zwischen seinem katholischen Vater und seiner evangelischen Mutter führten dazu, dass Carl von Ossietzky sich später von den Kirchen abwandte und sich an dem von Ernst Haeckel formulierten Weltbild des sog. Monismus orientierte. Die im „Monistenbund“ vereinigten Freidenker stellten sich vor, dass die Welt allein aus einem Stoff oder einem Prinzip hervorgegangen sei und daraus auch ihre Existenz erhalte. Die Monisten distanzierten sich von den Dogmen der christlichen Kirchen. Ihr Diesseitsglaube verband sich mit der naturwissenschaftlichen Entwicklungslehre und sozialen Idealen zu der Vorstellung, dass sich die Menschheit auf dem Weg zu etwas Höherem und Besseren befinde.
Der Besuch einer höheren Schule blieb Carl von Ossietzky verwehrt. Schon früh musste er sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen - zunächst als Hilfsschreiber im Hamburger Amtsgericht und danach im Hamburger Grundbuchamt. Gleichwohl begann Ossietzky, sich sehr intensiv mit der Literatur, Geschichte und Politik zu beschäftigen. Das Leben in ärmlichen Verhältnissen hatte in ihm auch schon frühzeitig die Frage nach den Ursachen der sozialen Ungerechtigkeit geweckt. Deren Überwindung erhoffte er sich von der Sozialdemokratie, ohne allerdings ihrer Parteilinie einfach zu folgen. Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden wurden zu seinen großen Leitbildern. In der „Demokratischen Vereinigung“ lernte Carl von Ossietzky den pazifistischen Publizisten Hellmut von Gerlach kennen. Schon bald drängte es ihn, auch selbst politische Artikel zu schreiben. Der erste erschien 1911 in der Zeitschrift „Freies Volk“. Zwei Jahre später missglückte sein erster Versuch, als freier Journalist zu leben, nachdem eine Kritik am Militarismus des wilhelminischen Kaiserreichs von der Justiz als „Beleidigung“ eingestuft und mit einer Geldstrafe von 200 Mark geahndet wurde. Bald darauf - inzwischen hatte der erste Weltkrieg schon begonnen - trat Ossietzky wieder in den Justizdienst ein. Er suchte die Nähe zur „Deutschen Friedensgesellschaft“, wurde jedoch Mitte 1916 zum Kriegsdienst eingezogen und als Armierungssoldat an der Westfront eingesetzt.
Nach dem Ende des ersten Weltkriegs wirkte Carl von Ossietzky zunächst im Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat mit; er siedelte aber bald nach Berlin über und wurde Sekretär der „Deutschen Friedensgesellschaft“. Jedoch gingen ihm die politischen Forderungen der DFG nicht weit genug, weshalb Ossietzky die Friedensidee stärker in der Arbeiterschaft verwurzeln wollte. Er beteiligte sich an der Bewegung „Nie-wieder-Krieg“ und engagierte sich auch in der „Liga für Menschenrechte“. Außerdem wirkte er bei der Gründung der „Republikanischen Partei Deutschlands“ mit, die bei den Reichstagswahlen 1924 allerdings erfolglos blieb. Fortan schrieb er auch die Leitartikel für die „Berliner Volks-Zeitung“ und kommentierte darin die Ereignisse in der ökonomisch instabilen und politisch gefährdeten Weimarer Republik.
1924 übernahm Ossietzky die Redaktion der antimilitaristischen Zeitschrift „Das Tage-Buch“. Und 1927 wurde er schließlich Redakteur und Herausgeber der berühmten Zeitschrift „Weltbühne“. Seine kompromisslos pazifistische Grundhaltung brachte ihm schon bald wieder Konflikte mit der Justiz ein, die in ihm mehr einen Landesverräter als einen Warner vor kommendem Unheil sah. Wegen Beleidigung der Marine und der Reichswehr verurteilte sie ihn zu Geldstrafen, wodurch sich Ossietzky allerdings nicht einschüchtern ließ. Während die Arbeitslosigkeit nach dem New Yorker Börsenkrach stieg und die NSDAP immer mehr Zulauf bekam, hielt er der Politik der Weimarer Republik weiterhin seinen kritischen Spiegel vor.
Als Ossietzky die gegen den Versailler Vertrag verstoßende geheime Aufrüstung der Reichswehr aufdeckte, verurteilte ihn die Justiz im November 1931 wegen Landesverrats zu 18 Monaten Gefängnis. Albert Einstein, Thomas Mann, Romain Rolland und andere große Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur unterstützten ein Gnadengesuch zu seiner Freilassung. Doch Reichspräsident Hindenburg lehnte es ab - möglicherweise weil sich Ossietzky nach dem Zusammenschluss von NSDAP, DNVP und Stahlhelm mit Vertretern des Finanz- und Industriekapitals zur „Harzburger Front“ für eine Kandidatur des Kommunisten Ernst Thälmann bei der Wahl zum Reichspräsidenten ausgesprochen hatte. So musste er am 10. Mai 1932 seine Haft im Gefängnis Tegel antreten, aus der er dank einer „Weihnachtsamnestie“ Ende 1932 vorzeitig frei kam.
Während seiner Haft schrieb Ossietzky in einem Artikel „Rechenschaft“: „Die ‚Weltbühne’ hat von rechts den Vorwurf der Verräterei und von links den Vorwurf des verantwortungslos krittelnden individualistischen Ästhetentums einstecken müssen. Die ‚Weltbühne’ wird auch weiterhin das sagen, was sie für nötig befindet; sie wird so unabhängig bleiben wie bisher; sie wird so höflich oder frech sein, wie der jeweilige Gegenstand es erfordert. Sie wird auch in diesem unter dem Elefantentritt des Faschismus zitternden Lande den Mut zur eigenen Meinung behalten. Wer in den moralisch trübsten Stunden seines Volkes zu opponieren wagt, wird immer bezichtigt werden, das Nationalgefühl verletzt zu haben. Die Stimme der ‚Weltbühne’ kann nur Klang behalten, wenn ihr verantwortlicher Herausgeber seine ganze Person einsetzt und dann, wenn es ungemütlich wird, nicht die bequemere Lösung wählt, sondern die notwendige.“ [2]
Als es schon bald nach seiner Haftentlassung noch „ungemütlicher“ in Deutschland wurde, behielt Carl von Ossietzky auch weiterhin den Mut, „seine ganze Person“ für die Demokratie und den Frieden einzusetzen. In seinem ersten Artikel nach der Machtergreifung durch die NSDAP bescheinigte er der Hitler-Regierung, ein „Produkt eifriger Vermittlungen, überraschender Improvisationen und verborgener Kulissenspiele“ und „bis zum Zerspringen mit sozialen Disharmonien geladen“ zu sein. [3]
Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand begann dann Carl von Ossietzkys Martyrium. Er wurde verhaftet und zunächst in die Festung Spandau verbracht. Im April 1933 kam er in das ehemalige Zuchthaus Sonnenburg und im Februar 1934 in das Moorlager Papenburg-Esterwegen im Emsland. Im Auftrag des Internationalen Roten Kreuzes durfte ihn ein früherer Mitarbeiter des Völkerbunds besuchen. Dieser berichtete, er habe ein „zitterndes, totenblasses Etwas“ gesehen, „ein Auge geschwollen, die Zähne anscheinend eingeschlagen; er schleppte ein gebrochenes, schlecht geheiltes Bein.“ [4]
In die Emigration gegangenen Freunden Ossietzkys gelang es, die Weltöffentlichkeit über seinen Zustand zu informieren und Unterstützung für eine Kampagne „Friedensnobelpreis für Carl von Ossietzky“ bekommen. Wiederum gehörten Albert Einstein und Thomas Mann zu den Unterstützern, ebenso Heinrich Mann, Herbert G. Wells, John B. Priestly, Bertrand Russell, Aldous Huxley und weitere Wissenschaftler und Schriftsteller. Ossietzky wurde zur Symbolfigur für das ‚andere Deutschland’.
Schließlich war die Kampagne erfolgreich. Rückwirkend für das Jahr 1935, in dem kein Friedensnobelpreis verliehen worden war, erhielt der inzwischen schwer an Tuberkulose erkrankte und in das Berliner Staatskrankenhaus verlegte Carl von Ossietzky im November 1936 den Friedensnobelpreis. Das damit vor der Weltöffentlichkeit demaskierte NS-Regime offenbarte seine abgründige Menschenverachtung, indem es einen korrumpierten Rechtsanwalt, der sich Ossietzkys Vertrauen erschlichen hatte, nach Oslo sandte, um das Preisgeld in Empfang zu nehmen.
Das Kalkül der NS-Führung, dass Ossietzky vielleicht noch vor einer Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn sterben könnte, ging zum Glück nicht auf. Aber unter strenger Bewachung durch die Gestapo blieb er im Krankenhaus von der Welt isoliert, bis er schließlich im Beisein seiner Frau und eines Krankenwärters am 4. Mai 1938 im Alter von nur 49 Jahren verstarb. Über seinem friedenspolitischen Vermächtnis könnte der Schlusssatz aus einem Artikel vom Februar 1933 stehen: „Wir werden wohl mit neuen Menschen wieder beginnen müssen.“ [5]
Silvio Gesell (1862–1930):
„Die Ursache des in allen Kulturstaaten herrschenden bürgerlichen Kriegszustands ist wirtschaftlicher Natur. ... Wer den Völkerfrieden will, muss wissen, dass er ihn nur vom Altar des Bürgerfriedens holen kann. Der Bürgerfriede ist die Keimzelle des Völkerfriedens.“ [6]
Silvio Gesell war etwa ein Vierteljahrhundert älter als Carl von Ossietzky und stammte aus dem Kreis Eupen-Malmedy, wo sich die deutschen und französischen Kulturkreise berühren. In seinem Elternhaus wurden auch beide Sprachen gesprochen. Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 weckte in Gesell schon frühzeitig den Wunsch nach einer Aussöhnung zwischen beiden Ländern. Glaubensunterschiede zwischen seiner katholischen Mutter und seinem protestantischen Vater führten ähnlich wie bei Ossietzky dazu, dass sich Gesell von den Konfessionen löste und für andere geistige Strömungen empfänglich wurde: für die französische Aufklärung, für die philosophischen Gedanken von Stirner und Nietzsche oder auch für die Evolutionslehre von Darwin und Haeckel.
Auch die Eltern Gesells konnten ihren Kindern keine höhere Schulbildung ermöglichen. So ließ sich Silvio Gesell in Berlin im Geschäft seiner beiden Brüder zum Kaufmann ausbilden und ging nach mehreren Stationen in Malaga/Spanien und Deutschland schließlich 1887 nach Argentinien, um in Buenos Aires ein eigenes Geschäft für zahnärztliche und andere medizinische Artikel zu eröffnen. Die dortige Wirtschaftskrise brachte ihn zum Nachdenken über die Ursachen von Inflation und Deflation, von ungerechter Verteilung und Arbeitslosigkeit. Gesell erkannte sie in der Hortbarkeit des Geldes; sie gibt dem Geld die strukturelle Macht, seinen Dienst als allgemeines Tausch- und Kreditmittel entweder von der Zahlung eines Zinses abhängig zu machen oder ihn vorübergehend zu verweigern. Beides hat negative Auswirkungen auf die Wirtschaft: während Zins und Zinseszins zu einer ungerechten Verteilung der Geld- und Produktivvermögen führen, löst die zeitweise Geldhortung Absatzstörungen und Arbeitslosigkeit aus; außerdem macht sie eine stabilitätsgerechte Steuerung der Geldmenge unmöglich, was Schwankungen der Kaufkraft des Geldes zur Folge hat.
Um diesen Missständen abzuhelfen und eine von spekulativen Störungen freie Zirkulation des Geldes zu gewährleisten, schlug Gesell die Einführung von nicht hortbaren „rostenden Banknoten“ vor. Sie sollten das Angebot und die Nachfrage auf den Arbeits-, Güter- und Kapitalmärkten in ein Gleichgewicht bringen, in dem das Zinsniveau allmählich gegen Null absinkt. Als Folge davon erwartete Gesell Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität und eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung.
Seine Theorie der Geldreform legte Gesell in zahlreichen Büchern und Aufsätzen dar, die seit 1891 in deutscher und spanischer Sprache erschienen. Um die Jahrhundertwende begann er sich auch mit der Bodenreformkonzeption des nordamerikanischen Sozialreformers Henry George zu beschäftigen. Den Gedanken einer Gleichberechtigung aller Menschen gegenüber der Erde als unverkäuflichem Gemeinschaftsgut verband Gesell mit seinen eigenen Gedanken zu einer umfassenden Theorie der Geld- und Bodenreform. Nach einem längeren Aufenthalt in der Schweiz lebte er von 1906 bis 1911 wieder in Argentinien und entwickelte seine Gedanken über eine gerechte internationale Währungsordnung als Fundament für einen sowohl von Monopolen als auch von Zöllen freien Welthandel. Außerdem beschäftigte sich Gesell mit dem den Weltfrieden fördernden Gedanken, dass die Bodenschätze der Erde nicht länger von Firmen und Staaten angeeignet werden dürften. Stattdessen sollten sie als ein gemeinschaftliches Menschheitseigentum von einer internationalen Institution verwaltet werden. Die für ihre private Nutzung erhobene Gebühr sollte der internationalen Institution zufließen und für Wiederaufforstungs- und andere umwelterhaltende Maßnahmen verwendet werden. Und die öffentlichen Einnahmen aus der privaten Nutzung von Grundstücken sollten für den Unterhalt von Müttern und Kindern verwendet werden.
Seine Gedanken fasste Silvio Gesell in seinem Hauptwerk „Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ zusammen. Während des ersten Weltkriegs erschien es zuerst in Berlin und in der Schweiz. Auf Initiative von Ernst Niekisch und Gustav Landauer beteiligte sich Gesell im April 1919 als Volksbeauftragter für das Finanzwesen an der ersten Bayerischen Räterepublik. Nach deren Sturz geriet er vorübergehend in Haft und wurde schließlich von der Anklage des Hochverrats freigesprochen. Dennoch verweigerte ihm die Schweiz die Wiedereinreise.
Daraufhin ließ sich Gesell 1920 in der Nähe von Potsdam nieder und baute sein Modell einer „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ weiter aus. Dabei knüpfte er außer an Henry George auch an den französischen Sozialreformer Pierre Proudhon an, den Karl Marx ebenso wie die Frühsozialisten Saint-Simon und Fourier heftig bekämpft hatte. Die Wertschätzung für Proudhon verband Gesell mit Gustav Landauer, der seinerseits einen prägenden Einfluss auf den jüdischen Philosophen Martin Buber hatte. Georges Gedanken gelangten durch Theodor Hertzka nach Österreich-Ungarn und durch Michael Flürscheim nach Deutschland, wo sie in abgeschwächter Form durch Adolf Damaschke verbreitet wurden. Ähnlich wie Buber spielte auch der bodenreformerische Soziologe Franz Oppenheimer eine Rolle in den Anfängen der zionistischen Siedlungsbewegung in Palästina. Außer zu Oppenheimers „Liberalsozialismus“ gab es gedankliche Parallelen zur „Dreigliederung des Sozialen Organismus“ des Anthroposophen Rudolf Steiner.
Innerhalb dieser breit aufgefächerten Suche nach einer freiheitlichen Alternative sowohl zum Kapitalismus als auch zum Marxismus war Gesell derjenige, der die bodenrechtsreformerischen Ansätze am intensivsten um geldreformerische Überlegungen erweiterte. Mit einer Denkschrift wies er 1919 die Weimarer Nationalversammlung auf die Notwendigkeit hin, alle Bevölkerungsschichten mit einer gestaffelten, bis zu 75%igen Vermögensabgabe zur Finanzierung der Kriegsfolgen heranzuziehen und dann mit einer kaufkraftstabilen Währung ein solides Fundament für den wirtschaftlichen Neubeginn und die Weimarer Demokratie zu legen. [7] Außerdem trat Gesell für eine Anerkennung der Reparationsforderungen der Siegermächte und für eine Aussöhnung Deutschlands mit seinen westlichen und östlichen Nachbarn ein. Und neben einer sozialen Gerechtigkeit im Inneren sollte eine „Internationale Valuta-Assoziation“ die Voraussetzungen für einen den Weltfrieden fördernden freien und zugleich gerechten Welthandel schaffen. [8]
In seinen Kommentaren zum Zeitgeschehen in der Weimarer Republik trat Gesell antisemitischen, rassistischen und nationalistischen Ideologien entgegen. Immer wieder wandte er sich mit Denkschriften und Aufsätzen an die Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung, ohne das erhoffte Verständnis für seine Sozialreformvorschläge bei ihnen zu finden. „Lange Jahre war ich in Sorge, dass ich verunglücken könnte, ehe ich meinen Fund seinem rechtmäßigen Eigentümer ausgehändigt hätte“, schrieb Gesell in seiner Münchener „Verteidigungsrede“ über seine der Arbeiterbewegung zugedachte Geld- und Bodenrechtsreform. „Seit 30 Jahren bin ich bestimmt nicht ein einziges Mal zu Bett gegangen, ohne mich zu fragen, was ich noch tun könnte, um meinen Schatz zum Gemeingut zu machen.“ [9] Obwohl Gesell während der 1920er Jahre ignoriert oder verlacht und nur selten ernst genommen wurde, hörte er nicht auf, die Öffentlichkeit weiter vor der Gefahr eines erneuten großen Krieges zu warmen und auch die damalige Friedensbewegung aufzufordern, sich stärker für eine Überwindung der wirtschaftlichen Ursachen von Bürger- und Völkerkriegen einzusetzen. [10]
Fiktive Begegnungen Carl von Ossietzkys mit Silvio Gesell
in Berlin und Oldenburg
Am Rande der Veranstaltungen zum 8. Mai 2005 in Berlin kam es zu einer fiktiven Begegnung zwischen Carl von Ossietzky und Silvio Gesell. Im Gespräch über die dort gehaltenen Ansprachen, über das neue Holocaust-Mahnmal und den Neonazismus entdeckten die beiden Sympathien füreinander und bedauerten, dass Sie sich nicht schon zu ihren Lebzeiten begegnet waren. Um so mehr freuten sich beide über ihr verspätetes Kennenlernen.
CvO: Bei allem Respekt vor solcher Erinnerungskultur - es erfüllt mich noch immer mit Wehmut und Trauer, dass die Menschen damals nicht auf unsere „Weltbühne“ gehört haben.
SG: Grauenhaft war das Leid, das mit dem Nationalsozialismus über alle Völker Europas kam. Sie haben es kommen sehen und ich auch. Und wir haben davor gewarnt. „Der Ratlosigkeit der führenden deutschen Kreise steht die Hoffnungslosigkeit der breiten Massen gegenüber“, schrieb ich im Winter 1929/30, als die große Weltwirtschaftskrise gerade begonnen hatte. „Was wir von der Zukunft zu erwarten haben, wenn wir weiter wie bisher dem Geschehen tatenlos zuschauen, das ist ein Todesweg mit einer langen Reihe von Leidensstationen und Martersteinen.“ [11]
CvO: Ja, ähnlich wie Ihnen stand mir im Dezember 1931 vor Augen, dass „uns nur noch Vegetieren und langsames Hinsterben bleibt ... bis hin zum Kannibalismus“. [12] Hätten doch die Politik, die Justiz und die Wissenschaften bloß unsere ehrlichen Absichten erkannt, statt mich und andere als Landesverräter einzukerkern. Aber wir, die wir das Unheil kommen sahen, wir waren uns auch untereinander nicht einig.
SG: Schon gleich nach dem ersten Weltkrieg hätten wir eine „sozialistische Einheitsfront“ gebraucht, um der Weimarer Demokratie zu einem soliden wirtschaftlichen Fundament zu verhelfen. [13] Aber es blieb bei der Zersplitterung der Linken und der Mitte. Das stärkte die Rechten, obwohl auch sie uneins waren.
CvO: Wir kannten uns auch gegenseitig nicht gut genug, um uns gemeinsam der Reaktion entgegen zu stellen. Auch ich muss Ihnen gestehen, lieber Herr Gesell, auch ich habe mir damals nicht die Mühe gemacht, mich näher darüber zu informieren, was Sie mit Ihrer Geld- und Bodenreform eigentlich wollten. Die Sozialdemokraten und Gewerkschaftler hielten nichts von Ihren Vorschlägen. Und da dachte ich mir, dass Sie vielleicht auch einer von diesen vielen sektiererischen Inflationsheiligen sein könnten, einer von den „Allerweltsreformern, die das Fleisch verabscheuen“ oder einer von den „Projektenmachern mit dem Kardinalrezept für alle Weltübel.“ [14]
SG: Davon gab es ja damals tatsächlich viele. Und vielleicht haben schon allein deshalb viele Leute - auch kluge und weitsichtige - gedacht, dass ich auch einer davon sein könnte. Es ging mir aber ja umgekehrt auch nicht viel anders. Natürlich hörte ich von Ihrer „Weltbühne“. Zwei meiner Mitarbeiter gaben mir die eine oder andere Ausgabe Ihrer Zeitschrift in die Hand. [15] Aber in meinen letzten Lebensjahren war ich so sehr damit beschäftigt, meine Theorien zu vervollständigen und vor allem eine englische Ausgabe meines Hauptwerks zu vorzubereiten, dass ich Sie wieder aus den Augen verloren habe. Und dann war ja gleich nach dem Beginn dieser unglückseligen Weltwirtschaftskrise meine Lebenszeit schon zu Ende, während für Sie der Leidensweg eigentlich erst begann.
CvO: Ja, es war ein Martyrium. Aber ich bereue nichts. Ich habe mich nicht beugen lassen und bin meinen aufrechten Gang weitergegangen.
SG: Dafür bewundere und achte ich Sie sehr. Mir ist solch Schweres erspart geblieben. Oft habe ich überlegt, wie die Nazis wohl mit mir umgegangen wären. Meine frühere Haftstrafe lässt sich mit Ihrem Leidensweg nicht vergleichen.
CvO: Sie waren auch einmal im Gefängnis?
SG: Ja, im April 1919 hatte ich mich eine Woche lang als Volksbeauftragter für das Finanzwesen an der ersten Münchner Räteregierung beteiligt. Nach deren Sturz kam ich in das Gefängnis München-Stadelheim und wurde drei Monate später freigesprochen. Bis dahin hatte ich große Ängste um mein Leben, denn es war erschütternd, wie das Todesurteil gegen Eugen Leviné vollstreckt wurde. Seine Erschießung konnte ich von meiner Zelle aus hören. Und unser „großer Bruder Gustav Landauer“ wurde auf eine so bestialische Weise hingemordet. [16]
CvO: Wie gut, dass Sie Gustav Landauer nicht vergessen haben. [17]
SG: Und Ernst Toller und Erich Mühsam. Wir könnten sicher noch mehr Gemeinsamkeiten entdecken, von denen wir damals nicht gemerkt haben, dass sie uns verbinden.
CvO: Den Eindruck habe ich auch. Aber verzeihen Sie mir bitte, dass ich vom langen Tag erschöpft bin und mich nun gern ein wenig ausruhen möchte.
SG: Könnten wir uns wiedersehen?
CvO: Ja, gern. Nur habe ich mich für die nächsten Tage erst einmal in Oldenburg verabredet. Dort ist 1991 eine Universität nach mir benannt worden.
SG: Davon habe ich gehört.
CvO: Wollen wir uns hier in Berlin treffen, wenn ich in der übernächsten Woche aus Oldenburg zurück bin?
SG: Könnten wir uns vielleicht auch in Oldenburg treffen? Ich kenne jemanden in der Nähe, den ich besuchen möchte. Er hat übrigens Ökonomie an ‚Ihrer’ Universität studiert.
CvO: Gut. Lassen Sie uns Telefonnummern austauschen, dann können wir uns in ein paar Tagen zu einem Spaziergang in Oldenburg verabreden. Ich kenne einen sehr schönen Spazierweg ganz in der Nähe der Universität.
SG: Also bis bald in Oldenburg. Gute Reise.
CvO: Ihnen auch eine gute Reise. Ich freue mich, Sie bald wieder zu sehen.
***
Am darauffolgenden Freitag treffen sich Carl von Ossietzky und Silvio Gesell beim Eingang zur Oldenburger Universitätsbibliothek.
CvO: Herzlich willkommen in Oldenburg, lieber Herr Gesell. Wie schön, dass wir uns hier so schnell wieder sehen. In den letzten Tagen hatte ich hier zwar sehr viel zu tun; aber zwischendurch gingen meine Gedanken immer wieder zu unserer Begegnung in Berlin zurück. Und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass es für uns beide bedeutsam sein könnte, uns näher kennen zu lernen.
SG: Lieber Herr Ossietzky, auch mich hat unsere Begegnung neulich in Berlin sehr glücklich gemacht. In den letzten Tagen habe ich häufig an Sie gedacht und natürlich auch an die Gedenkveranstaltungen zum 60. Jahrestag des 8. Mai 1945. Mir ging die ganze Zeit noch ein Gedanke durch den Kopf. Ich denke, die Erinnerung wach zu halten, ist unbedingt notwendig. Aber ...
CvO: ... ich kann mir schon denken, was Sie sagen wollen. Ich habe es auch so empfunden. Das Erinnern ist gewiss notwendig, aber es ist offenbar zu einem feierlichen Ritual geworden, von dem kaum Konsequenzen für die Gegenwart ausgehen. Dabei ist die Welt doch wahrlich noch immer ungerecht und friedlos.
SG: Ja, alle reden sie davon, dass sich Völkermord und Krieg nicht wiederholen dürften. Aber sehen wir uns die Welt an. Seit 1945 ist sie voller größerer und kleinerer Kriege und Völkermorde - in Afrika, in Lateinamerika, in Asien und sogar in Europa. Und die blutige Internationale der Rüstungskonzerne verdient kräftig am Leid der Menschen. Das war schon zu unserer Zeit so und hat sich bis heute nicht geändert.
CvO: Denken wir nur an das Elend, das durch die teuflischen Landminen angerichtet wird. Ich finde es auch heuchlerisch, dass dieselben Politiker, die auf solchen Gedenkveranstaltungen sprechen, den Export von Rüstungsgütern bewilligen. Kürzlich las ich, dass die deutsche Regierung im Jahr 2003 Rüstungsgeschäfte im Wert von 4,9 Milliarden Euro mit 118 Ländern in aller Welt gemacht hat. [18]
SG: Dabei hätten sie und die Regierungen der anderen reichen Länder an jedem Tag die Möglichkeit, etwas für die Entschuldung der armen Länder und für gerechtere Strukturen der Weltwirtschaft zu tun. Der jüngste Schuldenerlass für die ärmsten Länder ist jedenfalls nur ein Bruchteil von dem, was nötig wäre.
CvO: Wie schnell sind wir schon mitten drin in unserem Gespräch. Kommen Sie, Herr Gesell, lassen Sie uns da unten rechts zum Durchgang beim Unikum gehen. Dahinter beginnt gleich ein Landschaftsschutzgebiet mit einem sehr schönen Spazierweg. „Haarenniederung“ heißt es. Da können wir uns in Ruhe weiter unterhalten. Auch das Wetter meint es gerade gut mit uns - wer weiß, wie lange es anhält. Gehen wir also. Und nachher würde ich gern noch kurz mit Ihnen in die Bibliothek der Universität gehen und Ihnen eine kleine Ausstellung über mich zeigen.
SG: Ja, die Ausstellung interessiert mich sehr. Mein Freund sprach schon davon. Er erzählte mir auch, wie unwürdig er als Student das politische Gezerre um die Benennung der Universität nach Ihnen fand. Aber wie gut, dass sie dann nach der Wende von 1989 doch noch möglich war, sogar einstimmig. Und ein Kreis von Oldenburger Wissenschaftlern hat ja Ihr schriftstellerisches Gesamtwerk 1994 neu herausgegeben. [19]
CvO: Und es freut mich natürlich, dass auch die Werke meines Freundes Kurt Tucholsky von den Oldenburgern neu herausgegeben wurden.
SG: Wenn ich seinen Namen höre, muss ich immer an seine wunderbar humorvollen und zugleich so tiefsinnigen Worte denken: „Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben.“ Wie recht hatte Tucholsky damit, anders als die Fachwissenschaftler das Geld als die „Grundlage aller Nationalökonomie“ anzusehen. [20] Aber wie verzweifelt und einsam muss er gewesen sein, als er 1935 in Schweden freiwillig in den Tod ging. Ich habe gehört, dass auch noch eine Herausgabe der Werke von Theodor Lessing vorbereitet wird.
CvO: Und auch Hanna Ahrendts Arbeiten über den Totalitarismus werden hier in Oldenburg sehr intensiv studiert. Ich wollte mir in diesen Tagen von allem einen Eindruck verschaffen und hatte hier tatsächlich viel zu tun. Aber nun bin ich wirklich gespannt auf unseren verspäteten Gedankenaustausch.
SG: Besser mit Verspätung als gar nicht. Es ist mir ein Rätsel, dass wir nicht schon viel früher aufeinander aufmerksam geworden sind.
CvO: Vielleicht haben wir uns ja manchmal auch nur knapp verfehlt.
SG: Das könnte durchaus sein. Dazu fällt mir gleich etwas ein: Gehörten Sie nicht in Ihren jungen Jahren dem „Deutschen Monistenbund“ an? Dort könnten Sie nämlich meinen Namen vielleicht schon einmal gehört haben. Erinnern Sie sich an den berühmten Chemiker Wilhelm Ostwald, der 1909 den Nobelpreis für Chemie bekommen hat?
CvO: Natürlich sagt mir sein Name etwas, denn Professor Ostwald gehörte zu den führenden Persönlichkeiten im „Deutschen Monisten-Bund“. Vor dem ersten Weltkrieg war er sogar Vorsitzender.
SG: Und er sympathisierte auch mit meinen Geld- und Bodenreformgedanken. Im Frühjahr 1914 hat er darüber sehr wohlwollend in einer Zeitschrift der Monisten geschrieben. Ostwald sah in der Geldreform eine Möglichkeit, ein „Vertrauensgeld“ zu schaffen, das sich nicht mehr „lawinenhaft“ durch den Zins und Zinseszins selbst vermehrt, sondern „einen enormen Schritt zur Ausbreitung von Gerechtigkeit und Ordnung in der Welt bedeuten würde.“ [21]
CvO: Das ist mir damals leider entgangen. Zu Ostwald hatte ich allerdings auch ein etwas zwiespältiges Verhältnis. [22] Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich mich zu jener Zeit gerade in beruflichen Schwierigkeiten befand.
SG: Hatten Sie nicht auch gerade ihre erste Auseinandersetzung mit der Justiz, die mit dem „Erfurter Urteil“ endete?
CvO: Ja, und dann folgte auch schon bald der erste Weltkrieg.
SG: Ich hatte mich mit der Rolle des Geldes in der Geschichte beschäftigt und sah es kommen, sah wie das ungerechte Geldwesen den Nährboden für Bürger- und Völkerkriege bereitete. Ich warnte davor, „dass unser Geld den Kapitalismus bedingt, den Zins, die Massenarmut, die Revolte und schließlich den Bürgerkrieg.“ Und mir stand vor Augen, wie schnell uns der Bürgerkrieg in die „Barbarei“ zurückwerfen würde. Aber meine Warnung verhallte ungehört. [23] In den ersten Monaten des Krieges habe ich mich dann leider von der allgemeinen Kriegsstimmung anstecken lassen. [24]
CvO: So ist es damals vielen ergangen, die den Krieg eigentlich ablehnten und sich dem Sog der allgemeinen Hurrapatriotismus dann doch nicht entziehen konnten. Auch ich war davon nicht ganz frei. [25]
SG: Es ist gut, wenn wir uns auch unsere Fehler eingestehen können. Bald besann ich mich auf meine Abneigung gegen den Krieg. Vom Militärdienst blieb ich verschont und nahm Verbindungen zur „Zentralstelle Völkerrecht“ in Berlin auf. Aber richtig verstanden fühlte ich mich nicht von den dortigen Vertretern der Friedensbewegung. Und als die Kriegszensur mir dann noch die weitere Verbreitung meiner Schriften verbot, bin ich in die Schweiz gegangen, um die friedenspolitische Bedeutung der Geld- und Bodenreform noch deutlicher herauszuarbeiten. [26]
CvO: Das dürfte etwa um die Zeit gewesen sein, als ich als Armierungssoldat eingezogen wurde. Schützengräben musste ich mit ausheben. Wie sehr habe ich damals das Ende dieses militaristischen Obrigkeitsstaates mit dem größenwahnsinnigen Kaiser und der ganzen „Bürokratenkaste“ herbeigesehnt. Und besonders unerträglich fand ich, wie der jungen Generation dieses ganze „Muckertum“ anerzogen wurde. „Schule, Kirche, sogar Theater sind Tummelplätze dieser deutschen Mafia,“ schrieb ich deshalb voller Empörung über diesen monarchistisch-nationalistischen Ungeist. [27]
SG: Wie ähnlich haben wir doch unabhängig voneinander gedacht! „Die Wahrheit ist eben gebeugt worden, von den Beamten in der Schule, in der Kirche.“ Die Menschen in Deutschland waren an den „Kadavergehorsam“ gewöhnt. [28] Und durch die große Inflation wurden sie bald völlig haltlos - materiell wie geistig.
CvO: Ja die große Inflation, sie war ein „gigantischer Raubzug der Schwerindustrie durch die Ersparnisse der kleinen Leute.“ [29] Sie zersetzte die wirtschaftlichen Fundamente, die für die Weimarer Demokratie erforderlich gewesen wären.
SG: Dabei hatte ich meine Vorschläge zur wirtschaftlichen Stabilisierung rechtzeitig genug an die Weimarer Nationalversammlung geschickt. Aber unter den Abgeordneten war offenbar niemand mit einem Gespür für die Bedeutung des Geldwesens. [30]
CvO: Wie sehr muss Sie diese Ignoranz geschmerzt haben. Und wie tragisch ging dann die Entwicklung weiter mit der „Entfesselung des Nationalismus“. [31]
SG: Und zum „nationalistischen Wahn“ kamen dann noch die „rassenzüchterischen Irrlehren“ und die unselige „Judenhetzerei“ hinzu, die mir schon zu Stöckers Zeiten als eine „kolossale Ungerechtigkeit“ erschienen war. [32] All dies hatte ich wohl im Blick. Aber ich glaube, Sie haben die politischen Ereignisse damals gründlicher analysiert als ich und die Gefahren für die Demokratie noch deutlicher gesehen als ich, der ich mich so sehr auf die Mängel des Geldwesens und des Bodenrechts konzentrierte.
CvO: Wir hatten eben unterschiedliche Schwerpunkte. Aber wie mir scheint, können sie sich doch ganz gut ergänzen. Als damals in Deutschland so ziemlich alles schief ging, habe ich übrigens oft gedacht, dass das ganze Übel eigentlich schon 1525 mit der Niederlage der Bauern gegen die Landesfürsten begonnen hat. In den Geschichtsbüchern wurde der Bauernkrieg immer nur einseitig aus der Sicht der Landesfürsten und Luthers dargestellt. [33] Und die Darstellungen der missglückten bürgerlichen Revolution von 1848 enthielten auch nie eine Ermutigung an die jüngere Generation, sich für die Menschenrechte und die Demokratie einzusetzen und die Revolution zu vollenden.
SG: Auch mir erscheint unsere Geschichte als eine tragische Verkettung von Fehlentwicklungen, die durch die Jahrhunderte der Leibeigenschaft bis zur Niederlage der Bauern zurückreicht. „Das deutsche Volk hat keine andere Geschichte als Blut, Modergeruch und Knute.“ In meiner Bodenreform sollte der „Geist des Bauernkrieges“ wieder aufleben. Damit wollte ich den Feudalismus mitsamt der Monarchie überwinden und natürlich auch den ostelbischen Großgrundbesitz aufteilen, um die Republik vor der Reaktion zu schützen. Und meine Geldreform sollte den Kapitalismus überwinden, damit wir nach diesen geschichtlichen Umwegen der wirtschaftlichen und politischen Machtkonzentration endlich in eine bürgerliche Gesellschaft der Freien und Gleichen gelangen. [34]
CvO: In ökonomischer Hinsicht hatten Sie damals offenbar schon recht klare Vorstellungen von einer neuen Gesellschaftsordnung.
SG: Ja, im Laufe von 30 Jahren nahmen meine Gedanken über die Ursachen des Kapitalismus und über einen Weg, der hinaus ins Freie führen könnte, allmählich klarere Konturen an. Andererseits trugen natürlich viele meiner Gedanken auch zeitbedingte Züge. Im Rückblick ist mir vor allem bei meinem damaligen Menschenbild nicht mehr wohl zumute. Ich habe mich damals von Darwin mehr beeinflussen lassen als mir heute lieb ist.
CvO: Wir waren nun einmal auch Kinder unserer Zeit. Wir sprachen ja vorhin im Zusammenhang mit dem Monismus schon einmal kurz von der Evolutionslehre. Ihre Übertragung von der Natur auf die Gesellschaft war damals modern. Berühmte Dichter und Denker waren von der Evolutionslehre beeinflusst - denken Sie nur an George Bernhard Shaw. Auch innerhalb der Arbeiterbewegung war sie sehr beliebt. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches stellte auch ich mir eine „freie Bahn für alles Tüchtige“ vor. [35]
SG: Genau, eine freie Bahn für alle Tüchtigen, die Jahrhunderte lang von Adel, Klerus, Kapital und „Behördenherrschaft“ an ihrer Entfaltung gehindert wurden. In „persönlicher Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstverantwortung“ sollten die Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und ihre Interessen in einem völlig „freien Spiel der Kräfte“ zum Ausgleich bringen. Dabei habe ich immer ausdrücklich betont, dass man Darwins und Haeckels Vorstellung von einer selbsttätigen „natürlichen Auslese“ nicht einfach so auf die Wirtschaft übertragen kann. Der wirtschaftliche „Kampf ums Dasein“ darf nämlich nicht von Privilegien des Boden- und Geldbesitzes verfälscht werden. Allein die Arbeit der Menschen darf ihren Erfolg bestimmen. [36]
CvO: Mir ging es auch um die Heranbildung von „autonomen Menschen“, die sich frei von aller Fremdbestimmung nur noch von ihrem eigenen Gewissen leiten lassen. [37] Aber sagen Sie - haben Sie denn auch die große Bedeutung mitbedacht, die der Solidarität in unserem menschlichen Zusammenleben zukommt?
SG: Selbstverständlich gehören auch „Gemeinsinn und Opferfreudigkeit“ zu unserem Leben. Ich denke, sie „gedeihen dort am besten, wo mit Erfolg gearbeitet wird.“ Sobald die Arbeitseinkommen nicht mehr durch Bodenrenten und Kapitalzinsen geschmälert werden, erhalten die Menschen dank ihres vollen Arbeitsertrags „nicht nur die Gelegenheit zu uneigennützigen Taten, sondern auch die Mittel dazu.“ Aber vielleicht habe ich damals den wirtschaftlichen Eigennutz gegenüber dem „sozialen Richtsinn“ zu sehr in den Vordergrund gestellt. Und weil ich die unbarmherzig wirkenden Begriffe von Darwin und Haeckel übernahm, wird meine „Natürliche Wirtschaftsordnung“ heute für sozialdarwinistisch gehalten - obwohl ich nach dem ersten Weltkrieg immer wieder soziale Hilfen für die vom Krieg Geschädigten gefordert habe, um sie wirtschaftlich mit den Gesunden gleichzustellen. [38]
CvO: Welchen Stellenwert hat denn überhaupt die Sozialpolitik in Ihrer „Natürlichen Wirtschaftsordnung“? Mich würde schon interessieren, wie Sie damals über die Bismarcksche Sozialgesetzgebung dachten.
SG: Mit seinen Sozialgesetzen wollte Bismarck in erster Linie einer Revolution vorbeugen. Davon abgesehen war mir natürlich klar, dass die soziale Sicherung unerlässlich ist, solange die Menschen im Kapitalismus ausgebeutet werden und nicht die Mittel für eine eigenständige Absicherung gegen die Risiken des Lebens haben. Allerdings glaube ich, dass die Menschen im Grunde eher nach Freiheit statt nach staatlichen Wohltaten streben. Wenn sie erst einmal den vollen Ertrag ihrer Arbeit erhalten, werden sie sich vielleicht lieber gegenseitig helfen als nur Hilfe vom Staat zu erwarten. [39]
CvO: Vielleicht haben Sie damit nicht ganz unrecht. Auch Kropotkin vertraute ja sehr auf die gegenseitige Hilfe. Aber könnte eine Gesellschaft auch nach der Überwindung von wirtschaftlicher Ausbeutung wirklich ganz ohne staatliche Sozialpolitik auskommen? Ich habe den Eindruck, dass Sie doch noch stärker von Darwin und Haeckel beeinflusst gewesen sein könnten als ich.
SG: Ich danke Ihnen, dass Sie mich nicht wegen meines damaligen Menschenbildes verurteilen, denn mich schmerzen die Vorwürfe, die deshalb heute gegen meine Geld- und Bodenreform erhoben werden. [40]
CvO: Nein, ich glaube, dass diese Vorwürfe überzogen sind. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg konnten wir alle noch nicht ahnen, dass der „Kampf ums Dasein“ einmal auf eine so schändliche Weise zur Rechtfertigung von sozialer Ungleichheit benutzt werden könnte. Nach allem, was Sie mir über Ihre Denkweise erzählen, kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie damals soziale Ungleichheit rechtfertigen wollten oder heute dem Sozialabbau das Wort reden würden.
SG: Auf keinen Fall wollte ich das, denn mein Ziel war ja eine ausbeutungsfreie Wirtschaft.
CvO: Und außerdem habe ich den Eindruck, dass Sie ihr damaliges Menschenbild inzwischen auch selbst differenzierter sehen.
SG: Ja, natürlich. Wenn ich vorausgesehen hätte, welche entsetzlichen Folgen sich später einmal aus der Übertragung von Darwins Evolutionslehre auf die Gesellschaft ergeben, dann hätte ich mein Menschenbild gleich überdacht.
CvO: Lassen Sie uns bei anderer Gelegenheit noch einmal über den Einfluss von Darwin und Haeckel auf uns sprechen. Ich glaube, das sollten wir noch einmal gründlicher aufarbeiten als wir es heute auf unserem Spaziergang tun können. -
SG: Verstehe ich Ihre Andeutung eines weiteren Gesprächs „bei anderer Gelegenheit“ richtig, dass Sie Interesse hätten, unseren Gedankenaustausch fortzusetzen?
CvO: Ja, das könnte ich mir gut vorstellen. Aber lassen Sie uns nachher überlegen, wo und wann wir uns wieder sehen. Bis so weit habe ich den Eindruck, dass wir sehr verwandte Ziele hatten. Aber wir hatten wohl auch unterschiedliche Ansichten über eine Veränderung des Wirtschaftssystems, die zum Ziel von mehr Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden führen sollte. Ihre Gedanken sind für mich neu und ich möchte darüber gern noch mehr erfahren.
SG: Können wir einen Moment innehalten, bevor wir darüber sprechen? Wir sind hier von einem so wunderbar kraftvollen Grün der Bäume und Wiesen umgeben. In dieser herrlichen Umgebung kommt es mir vor, als verginge unsere Zeit wie im Flug. Und wir waren so schnell in unser Gespräch vertieft, dass ich vorhin ganz vergaß, Sie danach zu fragen, wie viel Zeit Sie heute überhaupt für unsere Begegnung haben.
CvO: Von mir aus haben wir keine Eile. Ich habe mir den heutigen Nachmittag für unsere Begegnung freigehalten. Es freut mich, dass Ihnen dieser Spazierweg auch so gut gefällt wie mir. Immer wenn ich in Oldenburg bin, komme ich gern hierher, um meine Gedanken zu sammeln und zu ordnen. Wir können hier gern auch einige Augenblicke der Stille genießen. Und dann könnten wir vielleicht allmählich wieder zur Universität zurückkehren, denn wir wollen ja auch noch zusammen in die Bibliothek gehen.
SG: Ja schauen wir uns auch diese schöne Umgebung ein bisschen an und dann können wir uns auf unserem Rückweg gern noch über unsere Gedanken über Auswege aus dem Kapitalismus unterhalten.
SG: Herr Ossietzky, Sie sprachen unsere unterschiedlichen Vorstellungen über Auswege aus dem Kapitalismus an. Haben für Sie damals die Gedanken von Marx vielleicht eine größere Bedeutung gehabt?
CvO: Ja durchaus, obwohl ich mir immer eine gedankliche Eigenständigkeit bewahrt habe. Nach dem ersten Weltkrieg war ich mir ganz sicher, dass etwas Neues an die Stelle des untergegangenen Alten treten musste. Aber mir war noch nicht deutlich, wie das Neue aussehen könnte: „Wir haben noch nicht den Sozialismus, aber wir treten in ein Zeitalter des Nachkapitalismus ein.“ So dachte ich damals. Bei aller Unbestimmtheit in den Einzelheiten konnte ich mir keine andere Alternative zum „zusammengebrochenen bürgerlich-kapitalistischen Geist“ denken als eine Überführung des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln in die Hände des Staates. Aber natürlich sah ich auch, dass „Revolutionshysteriker“ und „Durchschnittsmenschen“ diese große Chance mit ihren „Halbheiten“ vereiteln konnten. [41]
SG: Es lag wirklich eine große Tragik darin, dass der Sozialdemokratie gleichsam über Nacht die politische Macht in die Hände fiel und sie damit nichts Aufbauendes anfangen konnte. [42]
CvO: „Ein verlorener Krieg kann schnell verwunden werden. Eine verspielte Revolution, das wissen wir, ist die Niederlage eines Jahrhunderts.“ [43] Wenn in historischen Augenblicken wie demjenigen nach dem ersten Weltkrieg wichtige Weichen falsch gestellt werden, hat dies Folgen für lange Zeit.
SG: Trotz unserer unterschiedlichen Ansichten über die Wirtschaftspolitik haben wir beide unabhängig voneinander offenbar die historische Situation nach dem ersten Weltkrieg ähnlich empfunden. Ein Zurück zum Kapitalismus konnten wir uns beide nicht mehr vorstellen. Andererseits hatte ich keinen Zweifel, dass Marx die Revolution mit seiner falschen Analyse des Kapitalismus auf die Abwege der Verstaatlichung von Wirtschaft und Politik geführt hatte. Nicht das private Produktionsmitteleigentum erschien mir als Achillesferse des Kapitalismus, sondern die strukturelle Macht des Geldes.
CvO: Mir fällt auf, dass Sie offenbar bewusst von der „strukturellen“ Macht des Geldes sprechen. Wollen Sie damit sagen, dass Sie es falsch finden, die Macht des Geldes zu personalisieren und die Juden für alle Missstände auf der Welt verantwortlich zu machen?
SG: Den Juden ist großes Unrecht geschehen, indem sie Jahrhunderte lang immer wieder zu Sündenböcken gemacht wurden. „Es sind gerade die Christen, die das ursprünglich anders orientierte Volk der Juden zum Geldhandel gezwungen haben. ... Nicht die Verruchtheit eines besonderen Volkes ist Schuld an der Gegenwart; es ist die Rückständigkeit der gesellschaftlichen Ordnung.“ [44] Wir sind alle in die strukturelle Macht des Geldes verwickelt - unabhängig davon, ob wir Juden, Christen, Muslime oder Ungläubige sind. Alle Menschen sind zugleich Profiteure und Geschädigte der herkömmlichen Geld- und Zinswirtschaft - natürlich in unterschiedlichem Ausmaß. Deshalb möchte ich die Strukturen des Geldes ändern, damit alle Menschen in Gerechtigkeit und Frieden miteinander auf ihrer gemeinsamen Erde leben können.
CvO: Das beruhigt mich sehr, dass sich Ihre Geldkritik nicht gegen die Juden richtet. Aber was ist mit der Konzentration der Produktionsmittel in wenigen privaten Händen?
SG: Natürlich ist sie ein großes Problem. Aber die Konzentration des Sachkapitels folgt aus der Konzentration des Geldkapitals und sie lässt sich erst überwinden, wenn die Konzentration der Geldvermögen gestoppt wird. Im nachhinein ist mir allerdings bewusst geworden, dass ich es damals versäumt habe, die Auswirkungen der Geldreform auf die Arbeitswelt ausführlicher darzustellen. Ich hätte noch deutlicher zeigen sollen, wie sich der Gegensatz zwischen dem Geld- und Realkapital einerseits und der Lohnarbeit andererseits ohne eine Verstaatlichung der Produktionsmittel durch ihre Dezentralisierung überwinden ließe.
CvO: Das könnte dazu geführt haben, dass Sie damals mit Ihrer Kritik am Geldwesen kaum von der Arbeiterbewegung beachtet wurden. An eine solche Möglichkeit, die Sie gerade angedeutet haben, habe ich auch selbst noch nicht gedacht.
SG: Dann wird es Sie vielleicht interessieren, dass Marx im dritten Band seines „Kapital“ schon manches von meinen späteren Gedanken vorweggenommen hat. Dort ist eigentlich schon fast alles über den Vorrang des Geldkapitals gegenüber dem Realkapital gesagt. Und auch der wirklich wichtige Unterschied zwischen dem Zins und dem Unternehmergewinn ist dort dargestellt. Es fehlt dort nur noch der Ausblick auf die Geldreform als Weg zur Überwindung der Macht des Geldes und zur Dezentralisierung der Produktionsmittel. [45] Übrigens habe ich 1922 zwei Denkschriften an die Gewerkschaften verfasst und ihnen meine Kapitaltheorie im Vergleich zu derjenigen von Marx erläutert. [46]
CvO: Auch mir war leider nicht bewusst, dass ein so großer Unterschied zwischen dem Band 1 und dem Band 3 von Marx’ „Kapital“ bestand und dass sich aus dem Band 3 eine ganz andere Möglichkeit für eine Überwindung des Kapitalismus ergab. So hielt ich einerseits dem Band 1 entsprechend mehr an der Verstaatlichung der Produktionsmittel fest und war doch andererseits damit auch nicht wirklich zufrieden. Mir fehlte eine ökonomische Grundlage für meine Vision eines demokratischen und friedlichen Deutschland. Vielleicht ist deshalb der Eindruck entstanden, dass ich eine „schwankende Haltung zwischen bürgerlicher und sozialistischer Republik“ einnahm. [47]
SG: Der Band 3 des „Kapital“ hat in der Arbeiterbewegung damals und auch später nie die Bedeutung erlangt wie der Band 1. Den Unterschied zwischen ihnen haben nur sehr wenige bemerkt. Die „schwankende Haltung“, die Ihre Kritiker Ihnen vorhielten, war doch vielleicht auch eine Ausdruck dafür, dass Sie nicht an Dogmen festhielten, sondern noch auf der Suche nach einem zur Demokratie passenden Ausweg aus dem Kapitalismus waren.
CvO: Sie sind wirklich sehr freundlich zu mir, dass Sie Verständnis für meine „schwankende Haltung“ aufbringen. Einige Kritiker gingen deshalb sehr hart mit mir ins Gericht. [48]
SG: Sie tut Ihrer gesamten Lebensleistung keinen Abbruch. Schwächen gehören doch auch zu unserem Leben und außerdem finde ich, dass es uns nicht weiterbringt, wenn wir uns gegenseitig wegen unserer Unzulänglichkeiten verurteilen. Viel wichtiger ist mir, heute gemeinsam dort weiter zu denken, wo wir damals an unsere Grenzen gekommen sind.
CvO: Ich habe auch tatsächlich bei unserem Gespräch mehr und mehr den Eindruck, dass wir uns ergänzen und manchmal sicher auch gegenseitig korrigieren könnten.
SG: Es freut mich sehr, dass Sie sich einen weiteren Gedankenaustausch und vielleicht auch eine Zusammenarbeit mit mir vorstellen können, denn früher habe ich oft Zurückweisungen erfahren, wenn ich auf Politiker und Wissenschaftler zuging.
CvO: Sie erwähnten eben Ihre Denkschriften an die deutschen Gewerkschaften. Haben denn die Gewerkschaften darauf reagiert?
SG: Nein, leider nicht. Es war schon sehr deprimierend, gerade von den Gewerkschaften und von der Sozialdemokratie nicht ernst genommen zu werden, denn ich sah weit und breit keine andere gesellschaftliche Kraft, die die Wirtschaft und die Politik wieder hätte in Ordnung bringen können.
CvO: Obwohl wir damals unterschiedliche Ansichten über die Wirtschaftspolitik hatten, haben wir da wohl eine große Enttäuschung gemeinsam. „Niemals ist der Kapitalismus besser geborgen als in Zeiten, wo Sozialisten am Ruder sitzen. ... Sozialismus bei der Sozialdemokratie suchen, nein, das hieße, von einem Brombeerbusch Bananen verlangen.“ [49]
SG: Das ist sehr treffend ausgedrückt. In Ihren Worten schwingt jene Bitterkeit mit, die ich auch oft gespürt habe. Die Sozialdemokratie hatte leider „keine Ahnung von den Ursachen des Kapitalismus. In ihrer Parteileitung war niemand, der sich gründlich mit der Währungsfrage auseinander gesetzt hätte.“ Deshalb habe ich die Sozialdemokratie manchmal die „rote Garde vor Mammons Tempel“ genannt. [50] Aber trotz aller Enttäuschungen habe ich die Hoffnung nie ganz aufgegeben, dass die Sozialdemokraten und Gewerkschaften meine Gedanken eines Tages doch noch aufgreifen und diskutieren könnten.
CvO: Es ist wirklich bedauerlich, dass ich in den 1920er Jahren nicht schon näher mit Ihrer Kapitalismuskritik in Berührung gekommen bin.
SG: Aus dem Kreis meiner Mitarbeiter waren übrigens Wilhelm Beckmann vom Gewerkschaftsbund der Angestellten (GDA) und Hans Timm auch in der von Ihnen mitbegründeten Republikanischen Partei Deutschlands (RPD) aktiv. So weit ich mich erinnere, haben sie die beiden Programmpunkte „feste Währung“ und „Gemeineigentum am Grund und Boden“ besonders unterstützt. [51]
CvO: An den Namen Hans Timm kann ich mich nicht erinnern. Aber Wilhelm Beckmann stand bei den Reichstagswahlen 1924 sogar auf der Kandidatenliste der RPD. [52] Ob er mir gegenüber von Ihrer Geld- und Bodenreform gesprochen hat, weiß ich allerdings nicht mehr.
SG: Andere Verfechter eines nicht-marxistischen freiheitlichen Sozialismus wie Proudhon, Landauer, Henry George oder Franz Oppenheimer waren außerdem viel bekannter als ich. Mehr Bekanntheit erlangte übrigens auch Adolf Damaschke mit seinem „Bund Deutscher Bodenreformer“. Nur erschien er mir eher als ein „Salonsozialist“, der die von Henry George formulierten Ziele der Bodenreform mehr verwässerte als weiterentwickelte. [53]
CvO: Von Damaschke bekam ich beiläufig den Eindruck, dass er sich für „das Neueste von vorvorgestern“ einsetzte. [54] Henry George kannte ich leider gar nicht, den Namen Franz Oppenheimer hörte ich nur einmal und von Proudhon wusste ich, dass Marx ihn heftig kritisiert hatte. [55] So blieben mir die nicht-marxistischen Sozialisten mit Ausnahme von Landauer weitgehend unbekannt und ich dachte, dass es nur eine Wahl zwischen dem Kapitalismus oder einer sozialistischen Aufhebung des Privateigentums gebe. [56] Wirklich zufrieden war ich selbst nicht damit. Vielleicht klingt das, was Sie mir von Ihren Gedanken erzählen, gerade deshalb so interessant für mich. Noch überblicke ich natürlich nicht alles, was Sie da sagen. Aber ich verspüre den Wunsch, mich damit in Ruhe zu beschäftigen und mit Ihnen im Gespräch zu bleiben.
SG: Ich glaube auch, dass wir unsere Gedanken nicht alle bei einem einzigen Spaziergang austauschen können. Auch ich würde gern mit Ihnen in Verbindung bleiben. Übrigens - in einem Ihrer Aufsätze habe ich gelesen, dass Sie sich schon damals auch noch „andere Möglichkeiten“ für den Aufbau des Sozialismus vorstellen konnten als „nur die marxistischen Doktrinen“. [57]
CvO: Das muss etwas später gewesen sein. Aber alles in allem kam ich in meinem aufreibenden Kampf gegen den Militarismus und gegen den drohenden Faschismus nicht mehr dazu, mir über einen anderen Weg zum Sozialismus gründlichere Gedanken zu machen.
SG: Dafür haben Sie die politischen Entwicklungen in den 1920er Jahren noch tiefer durchschaut als ich, was Ihnen ja auch immer wieder Auseinandersetzungen mit der Justiz einbrachte.
CvO: Ja, sie nahmen natürlich Zeit und Kraft in Anspruch. Abgesehen davon war mir klar, dass die „Sowjetregierer ... im einzigen sozialistischen Staat der Welt“ sich „nicht klug verhalten“ und dass die „KPD mit ihrem Treiben in die Weltrevolution genau so am Ende ihres Lateins war wie die Sozialdemokratie mit ihren opportunistischen Kniffen.“ [58] Dass ich dennoch auch mit Kommunisten zusammenarbeitete, war Ausdruck meines Wunsches nach einem breiten Gegengewicht zu der immer stärker werdenden nationalistischen Rechten.
SG: Das ist für mich unter tagespolitischen Gesichtspunkten auch durchaus nachvollziehbar. Übrigens fand ich auch Ihre Kritik am „Kommunistengesetz“ [59] nur allzu berechtigt. Über allen sachlichen Differenzen, die mich von den Kommunisten trennen, steht für mich die geistige Freiheit als schützenswertes Gut. Nicht durch Verbote, sondern allein durch gerechtere soziale Verhältnisse kann man den Kommunismus oder den Faschismus wirksam bekämpfen.
CvO: Außerdem haben wir in den USA beim Urteil gegen Sacco und Vanzetti gesehen, wie die Justiz sich irren oder als politisches Instrument missbraucht werden kann. [60]
SG: Und Sie haben klar vorausgesehen, dass - wenn erst einmal die Jagd auf Kommunisten beginnt - „noch ganz andere an die Reihe kommen“. [61] Wenn dann so eine wirtschaftliche Katastrophe geschieht wie die große Weltwirtschaftskrise, die viele Menschen in die Verzweiflung treibt und radikalisiert, bekäme die Justiz viel zu tun. Sie kann wirklich nicht die Probleme lösen, die durch die wirtschaftliche Krise entstehen.
CvO: Und durch die große Weltwirtschaftskrise waren wir „wieder in die Nähe des Generalbankrotts gerückt“. Ich fürchtete auch, dass Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht „genug Gelegenheit haben (würde), Unfug zu stiften“. [62]
SG: Jede Krise bringt „gefährliche Schwätzer“ wie Hjalmar Schacht hervor. [63] Ich wollte diese Krise verhüten. Nach der „verbrecherischen Inflation“ der frühen 1920er Jahre war mir klar, das eine Deflation ein „gefährliches Gift“ und geradezu der „direkte Wahnsinn“ für die Wirtschaft sein würde. [64] Und wenn dann noch solche verheerenden Fehler in der Wirtschaftspolitik hinzu kommen wie sie die Regierung Brüning mit ihren Notverordnungen begangen hat, dann kommt unweigerlich die Stunde der Demagogen.
CvO: Sie ließ ja dann tatsächlich nicht mehr lange auf sich warten. Brünings Notverordnungen machten die Weimarer Republik endgültig sturmreif für den „Nationalsozialismus mit all seinen sozialrevolutionären Phrasen“. Nichts als „Schwindel“ war dieser ganze „Sozialradikalismus“. [65]
SG: Als ich mich nicht mehr selbst zu dem nahenden Unheil äußern konnte, haben meine Anhänger 1932 noch einmal mit einer Denkschrift an alle im Deutschen Reichstag vertretenen Parteien versucht, sie zur wirtschaftspolitischen Vernunft zu bringen. [66] Aber es hat alles nichts genützt. Was die NSDAP in ihrem Programm als „Bodenreform“ und als „Brechung der Zinsknechtschaft“ versprach, hatte mit meiner Geld- und Bodenreform überhaupt nichts zu tun. Die „Brechung der Zinsknechtschaft“ war eine finstere antisemitisch-rassistische Ideologie, ähnlich wie die Parolen „Blut und Boden“ oder „Volk ohne Raum“.
CvO: „Das deutsche Schicksal ist keine Raumfrage. ... Es kommt nicht darauf an, wie viel Platz ein Volk unter der Sonne einnimmt, sondern wie die Güter darauf verteilt sind.“ [67]
SG: Sie sprechen mir aus der Seele. Entscheidend ist letztlich das Verteilungsproblem, das ich lösen oder doch wenigstens entschärfen wollte - sowohl mit der Geld- als auch mit der Bodenreform. Die Bodenreform sollte einen für alle Menschen gleichen und gerechten Zugang zu unseren Lebensgrundlagen herstellen. Und die Geldreform sollte eine gerechte Verteilung der Erzeugnisse der menschlichen Arbeit ermöglichen. Um so mehr hat es mich getroffen, dass sich zahlreiche meiner Anhänger von den demagogischen Parolen der NSDAP zu der Hoffnung verführen ließen, dass das Regime meine Ziele verwirklichen könnte. [68] Und in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch suchten sie auch noch den Kontakt zu Otto Strasser. [69] Ich habe mich oft gegrämt über meine Anhänger.
CvO: Das kann ich Ihnen gut nachfühlen. Was hätten Sie denn selbst zu Otto Strassers „Deutschem Sozialismus“ gesagt, wenn Sie die erste Hälfte der 1930er Jahre noch miterlebt hätten?
SG: Nichts hätte ich davon gehalten. Alle seit Adam Müllers romantischer Ökonomie entstandenen wirtschaftspolitischen Konzeptionen von Othmar Spanns Universalismus bis hin zum „Deutschen Sozialismus“ von Strasser und anderen konservativen Autoren tragen den Stempel von Feudalismus und Ständestaat. Im Gegensatz dazu wollte ich nicht zurück in die Zeit vor der Ausbreitung von Marktwirtschaft und Geld. Den Markt und das Geld wollte ich weder durch eine kommunistische Planungsbürokratie noch durch ständestaatliche Bindungen ersetzen. Ich wollte sie ‚nur’ bändigen und aus „sozialen Spaltpilzen und Sprengkörpern“ ein „mächtiges Bindemittel“ machen, das den Menschen dient statt sie zu beherrschen. [70]
CvO: Ihre ablehnende Haltung zu Otto Strasser freut mich sehr, denn ich habe in seinem „Deutschen Sozialismus“ auch ein „romantisches Feudalsystem und eine neue Art Kastensystem“ gesehen. [71]
SG: Seien Sie unbesorgt. Adam Müller, Fichte mit seinem „geschlossenen Handelsstaat“, Spann, Feder, Strasser und wie sie alle heißen - sie erschienen mir mit ihren Autarkieideen immer historisch rückwärts gewandt und engstirnig. Als Kaufmann in Argentinien hatte ich viel von der weiten Welt gesehen und empfand deshalb den „Gedanken eines in sich geschlossenen, durch Kolonien und Eroberungen zu erweiternden nationalen Wirtschaftsgebiets“ als einen „geradezu gefährlichen Gedanken“. [72] Im nachhinein bedaure ich allerdings, dass ich mich in den 1920er Jahren nicht stärker mit den Romantikern und Konservativen auseinandergesetzt habe. Damals schien mir die Auseinandersetzung mit Marx vordringlich.
CvO: Das war in gewisser Hinsicht einseitig. Aber wenn ich jetzt sehe, wie Sie Ihre Geld- und Bodenreform nicht nur nach links, sondern auch nach rechts abgrenzen, dann wird mir allmählich deutlich, warum Sie so viel Wert auf den Unterschied zwischen der bisherigen kapitalistisch verfälschten Marktwirtschaft und einer „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ legen. Ich denke, wir sollten dem dann auch eine Unterscheidung zwischen der bislang kapitalistisch verfälschten Demokratie und einer zukünftigen „Demokratie ohne Kapitalismus“ hinzufügen.
SG: Das erscheint mir als eine wichtige politische Klärung und Bereicherung meiner ökonomischen Überlegungen.
CvO: Vielleicht ist in Ihrem Denkansatz tatsächlich eine damals von mir nicht wahrgenommene „andere Möglichkeit“ angelegt, den Sozialismus auf eine freiheitliche und obendrein noch „weltoffene“ [73] Weise zu verwirklichen.
SG: Aufgrund meiner Erfahrungen im Ausland erschien mir die Erde immer als „Heimat aller Menschen“ im Universum und als ein „einheitliches, unteilbares Wirtschaftsgebiet“. Aber der freie Welthandel kann die Völker der Erde natürlich nur dann zu einer großen „Menschenfamilie“ verbinden, wenn er nicht mehr auf kapitalistischen, sondern auf gerechten Grundlagen stattfindet. [74]
CvO: Über die internationale Dimension Ihrer Geld- und Bodenreform könnten wir uns bei einer weiteren Begegnung unterhalten. Sie interessiert mich sehr, gerade im Hinblick auf die Globalisierung der kapitalistischen Ökonomie während der letzten drei Jahrzehnte. Aber vielleicht wäre es gut, erst noch einmal in Ruhe über alles nachzudenken, was wir heute auf unserem Spaziergang besprochen haben. Außerdem nähern wir uns allmählich wieder der kleinen Brücke über die Haaren, wo wir vorhin losgegangen sind. Ich habe wirklich nicht gemerkt, wie schnell unsere Zeit verging.
SG: Das ist doch ein gutes Zeichen. Wir waren auf unserem Spaziergang so sehr in die Vergangenheit entrückt, dass wir fast nicht gemerkt hätten, wie wir wieder auf die Gegenwart zugingen. Wollten Sie mir nicht noch eine Ausstellung zeigen?
CvO: Ja, das habe ich nicht vergessen. Für unsere heutige Begegnung hatte ich mir genügend Zeit eingeteilt, denn ich wollte doch Ihre Gedanken gern einmal in Ruhe kennen lernen.
***
Auf dem Weg zur Universitätsbibliothek sieht Gesell den Ossietzky-Buchladen und bittet Ossietzky um einen Augenblick Geduld. Er möchte sich zumindest kurz einen Eindruck vom Bücherangebot im Bereich der Wirtschaftswissenschaften verschaffen. Ossietzky ist daran auch selbst interessiert und so gehen die beiden zusammen zu den entsprechenden Regalen.
SG: Natürlich klingt alles sehr viel moderner als früher, was dort an Fachliteratur für die Studierenden angeboten wird. Aber im Grunde genommen geht es noch immer wie früher um die Vermittlung des Handwerkszeugs für den beruflichen Alltag. Beim Anblick der ökonomischen Fachliteratur bekomme ich den Eindruck, dass der ‚neoliberale’ Wind mittlerweile auch bis nach Oldenburg weht. Aber Sie dürften die Verhältnisse hier besser überblicken. Ist vom kritischen Geist der 68er Generation noch etwas übrig geblieben?
CvO: Ich denke schon. Anders als in den 1970er Jahren spricht heute zwar kaum noch jemand von Systemveränderung. Das ebbte schon in den 1980er Jahren allmählich ab und erst recht nach der 1989er Wende in Mittel- und Osteuropa. Aber immerhin ist in Oldenburg der einzige Ökonomie-Studiengang in Deutschland entstanden, der ökonomische Kenntnisse mit ökologischem Engagement verbindet. Und es besteht auch ein großes Interesse an der neueren Wirtschaftsethik. Da, schauen Sie mal. Zwischen all der Fachliteratur steht auch ein einzelnes Buch „Zivilisierte Marktwirtschaft“. [75]
SG: Das Buch ist noch ganz neu. Ich habe es auf der Bahnfahrt hierher gelesen. Im Untertitel verspricht es eine „wirtschaftsethische Orientierung“. Davon ist ja seit einigen Jahren viel die Rede - sowohl im Hinblick auf die Unternehmen als auch auf Geldanlagen.
CvO: Könnte diese neuere Wirtschaftsethik vielleicht besser zu Ihrer Geld- und Bodenreform passen als damals die Evolutionslehre? Der Buchtitel „Zivilisierte Marktwirtschaft“ klingt doch so, als könnte der Autor ähnliche Vorstellungen haben wie Sie. Im Klappentext kritisiert er rücksichtslose Gewinnmaximierung und Massenarbeitslosigkeit.
SG: Ja, das könnte sie. Tatsächlich ist der größte Teil dieses Buches auch ganz in meinem Sinne geschrieben.
CvO: Wollen Sie damit sagen, dass es darin auch einen kleineren Teil gibt, mit dem Sie unzufrieden sind?
SG: So ist es, leider. Dabei kritisiert der Autor zu meiner Freude sehr deutlich, dass die internationalen Finanzmärkte die Politik entmachtet haben und gleichsam wie Götter regieren. [76]
CvO: Es herrscht eben immer noch der „Weltkapitalismus“ von damals, nur auf einer ‚höheren Stufe’ der Globalisierung.
SG: Seit dem Übergang von der keynesianischen Nachfragepolitik zur monetaristischen Angebotspolitik in den 1970er Jahren herrscht wirklich der „Weltkapitalismus“ und gebetsmühlenartig verkünden die Prediger des sog. Neoliberalismus, dass es dazu keine Alternative gebe.
CvO: „Überall wird heute der Vorrang der Ökonomie diskussionslos zugestanden“ [77], kritisierte ich damals. Im großen und ganzen scheint das jetzt auch wieder so zu sein. Und das Schlimme daran ist, dass unsere Demokratie immer mehr ausgehöhlt wird. In die Verfassung wurde nach dem zweiten Weltkrieg hineingeschrieben, dass alle Macht vom Volk ausgehen solle. Doch in Wirklichkeit geht sie längst viel mehr vom Geld und von den Finanzmärkten aus als vom Volk.
SG: Immer und überall hat die strukturelle Macht des Geldes die Demokratie verfälscht - in Athen, in der Schweiz, in Frankreich und in Amerika. [78] Und sie ist auch heute wieder eine große Gefahr für die Demokratie.
CvO: Umso wichtiger könnte es in Zukunft werden, Ihre Gedanken zum Geld in die Menschenrechts- und Demokratiebewegungen hineinzutragen.
SG: Ja, diese Hoffnung habe ich auch. Und es gibt ja dazu inzwischen auch schon einige Ansätze. [79] Und weil die Demokratie und die soziale Gerechtigkeit gleichermaßen durch die strukturelle Macht des Geldes gefährdet sind, freue ich mich auch so sehr über Bücher zur Wirtschaftsethik, die die globale Herrschaft des Kapitals in Frage stellen.
CvO: Im Inhaltsverzeichnis des Buches „Zivilisierte Marktwirtschaft“ sehe ich gerade, dass darin auch Grundsätze für ein ethisches Verhalten in privaten Haushalten, in Unternehmen und in der Politik formuliert werden. ‘
SG: Diese Grundsätze sind auch gut formuliert; aber letztlich vermeidet der Autor eine Kritik an der strukturellen Macht des Geldes. Und das ist es, was ich doch sehr vermisse.
CvO: Dazu gehört wohl auch sehr viel Mut. Vielleicht denkt der Autor auch, dass angesichts der gegenwärtigen, schier unüberwindlich erscheinenden Übermacht des Kapitals schon viel damit gewonnen ist, wenn die Wirtschaftsethik wenigstens in kleinen Schritten in die bestehenden wirtschaftlichen Strukturen eindringt.
SG: Natürlich ist es besser, die Marktwirtschaft schon mal in einigen kleinen Schritten zu zivilisieren als wenn in dieser Hinsicht gar nichts geschähe. Trotzdem frage ich mich, wie die Menschen ethischer handeln sollen, wenn die der Ethik entgegenstehende Macht des Geldes und die damit verbundenen Sachzwänge bestehen bleiben. Ich sehe die Gefahr, dass die Ethik von Unternehmen auch als Feigenblatt missbraucht werden könnte, um wirtschaftliche Interessen zu verbergen.
CvO: Das stimmt natürlich auch. Wir bräuchten wirklich dringend eine fundierte Kapitalismus-Debatte auf breiter Basis. Ich habe den Eindruck, dass wir noch stundenlang miteinander reden könnten. Aber nun möchte ich Ihnen gern noch die kleine Ausstellung über mich zeigen.
***
SG: Wo befindet sich denn die Ausstellung überhaupt? Ich hatte gedacht, sie sei ein Blickfang im Eingangsbereich zur Bibliothek. Dann würde sie allen, die hier ein- und ausgehen, automatisch in den Blick kommen.
CvO: Da hinten befindet sich die Ausstellung, hinter dem Treppenaufgang. Da ist es etwas ruhiger als im Eingangsbereich. Es gehört nämlich auch eine Leseecke dazu, wo meine „Sämtlichen Schriften“ und Bücher über mich eingesehen werden können.
SG: Da ist ja auch die Urkunde über die Verleihung des Friedensnobelpreises an Sie. Und das Foto von Ihnen als Häftling Nr. 562 im Emslandlager, das um die Welt gegangen ist wie das Foto von dem verängstigten kleinen Jungen im Warschauer Ghetto. Wenn ich bedenke, wie sehr Sie für Demokratie und Frieden gekämpft haben und wie aufrecht Sie das Leid ihrer letzten Lebensjahre ertragen haben, dann finde ich es sehr tröstlich, dass Sie den Friedensnobelpreis schließlich doch bekommen haben. Damit waren Sie schon in den ersten Jahren der NS-Herrschaft der unübersehbare leibhaftige Beweis für die Unmenschlichkeit des Regimes. Lieber Herr Ossietzky, ich glaube, es ist hier in der Ausstellung über Sie der richtige Moment, Ihnen noch einmal zu sagen, wie glücklich mich unsere Begegnungen machen. Ich empfinde es als ein großes Geschenk, dass wir uns kennenlernen konnten.
CvO: Ich erlangte damals Berühmtheit durch meine Tätigkeit bei der „Weltbühne“ und durch mein späteres Schicksal. Sie verließen die Welt, ohne Anerkennung für Ihre Lebensleistung bekommen zu haben. Wenn Ihre Gedanken in der Weimarer Zeit ernster genommen worden wären, hätten sie vielleicht dazu beitragen können, die große Katastrophe zu verhindern. Um so wichtiger wäre es heute, dass Ihre Grundgedanken kritisch geprüft werden. Und wenn sich dann herausstellen sollte, dass sie einen guten Kern enthalten, dann sollten sie natürlich auch aktualisiert und weiterentwickelt werden.
SG: Genau das ist es, wovon ich schon lange träume. Die ganze Umweltproblematik müsste dabei natürlich auch mitbedacht werden. Ähnlich wie die klassische und marxistische Ökonomie habe ich damals die ökologischen Grenzen des Wachstums noch nicht gesehen. Erst später erfuhr ich, dass John Stuart Mill diese Grenzen schon um 1870 geahnt hat und sich auch schon eine zukünftige Wirtschaft in einem stationären Gleichgewicht vorstellen konnte - übrigens auch mit breit gestreutem Eigentum an den Produktionsmitteln. [80]
CvO: Das ist ja wirklich eine faszinierend weitblickende Erkenntnis von John Stuart Mill gewesen, dass die Ressourcen unserer Erde begrenzt sind und dass darum die Wirtschaft auf die Dauer nicht grenzenlos wachsen kann. Und was sagen Sie heute aus der Sicht Ihrer Geld- und Bodenreform zu den Grenzen des Wachstums? Lässt sich diese Problematik nachträglich in Ihren Denkansatz integrieren?
SG: Ja, ich denke schon. Sobald wir den Boden und die Ressourcen als unveräußerliche Gemeinschaftsgüter der ganzen Menschheit behandeln, schaffen wir nicht nur einen für alle Menschen gerechten Zugang zu unseren Lebensgrundlagen, sondern wir bekommen dann auch die Möglichkeit, uns auf demokratischem Weg über die private entgeltliche Nutzung des Bodens und der Ressourcen zu verständigen und sie sinnvoll zu begrenzen. Übrigens vertraten John Stuart Mill und sogar berühmte neoklassische Ökonomen wie Gossen und Walras schon Bodenreformgedanken, die im Hinblick auf die ökologische Problematik ausbaufähig wären. [81]
CvO: Darüber ist mir bei der Lektüre ökonomischer Literatur noch nie etwas begegnet.
SG: Der Boden war ja überhaupt lange Zeit ganz aus dem Bewusstsein der Ökonomie verdrängt. So konnten auch die Gedanken zur Reform des Bodenrechts leicht in Vergessenheit geraten.
CvO: Und was ist in diesem Zusammenhang mit dem Geld? Könnte eine Reform des Geldes in Ihrem Sinne dazu beitragen, die Wirtschaft auch ohne ständiges Wachstum zu stabilisieren und in die Natur einzufügen?
SG: Ja, in groben Umrissen könnte ich mir das heute vorstellen. Bislang suchen sich die wachsenden Geldvermögen ja immerzu neue rentable Wachstumsfelder. Und wenn sie sich einmal nicht finden lassen, hilft ihnen der Staat mit seiner Innovationsförderung und mit industriellen Großprojekten.
CvO: Mittlerweile ist ja tatsächlich ein regelrechter Innovationswettlauf entbrannt. Und zu den staatlichen Großprojekten gehören letztlich auch die Atomenergie- und Rüstungsgeschäfte.
SG: Wenn es nun aber mit Hilfe einer Reform des Geldes gelänge, das Zinsniveau dauerhaft gegen Null abzusenken und damit auch die Selbstvermehrung der Geldvermögen zu stoppen, dann stünde die Realwirtschaft nicht mehr unter einem Wachstumsdruck wie bisher. Bei einem um Null pendelnden Zinsniveau wären übrigens auch Investitionen in Soziales und Kulturelles leichter finanzierbar als heute. Aber wie gesagt, ich habe diese Dinge erst einmal nur in groben Umrissen vor Augen. Sie müssten natürlich noch gründlich durchdacht werden.
CvO: Die Perspektiven, die Sie da andeuten, wirken tatsächlich interessant, so dass ich Sie nur ermutigen kann, in dieser Richtung weitere Überlegungen anzustellen. Überhaupt könnte es sinnvoll sein, dass Sie selbst und andere Ihre Werke nochmals genau durchsehen, um zu erkennen, was davon zeitbedingt war und inzwischen überholt ist. Und es müsste herausgearbeitet werden, was von bleibender Bedeutung ist und sich zum Beispiel auch im Hinblick auf die ökologische Problematik erweitern ließe.
SG: Ich habe auch schon des öfteren überlegt, ob es besser wäre, in Zukunft nicht mehr von einer natürlichen, sondern von einer „nachhaltigen Wirtschaftsordnung“ zu sprechen.
CvO: Das könnte eine von vielen Fragen sein, über die in diesem Zusammenhang nachzudenken wäre. Wichtig scheint mir zu sein, dass Ihre Gedanken fortan mehr Beachtung finden als bisher.
SG: Genau das ist es ja, was ich mir seit langem so sehr wünsche, dass meine Gedanken vor allem auch in wissenschaftliche Forschungen einbezogen werden. [82] Nur hat mein Name in der Fachwelt keinen guten Klang. Ich war ja kein ‚richtiger’ Wirtschaftswissenschaftler, sondern nur ein praktischer Kaufmann, der sich als Autodidakt mit der Ungerechtigkeit und der Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Wirtschaft beschäftigt hat. Zwar habe ich im Laufe der Zeit mehr als 6000 Seiten geschrieben, aber ich habe keine wissenschaftliche Reputation.
CvO: Das Problem kenne ich. Ich war auch ‚nur’ ein einfacher Journalist ohne akademische Ausbildung. Aber macht es Ihnen nicht Mut, dass mir trotzdem in meinen letzten Lebensjahren und posthum große Anerkennung zuteil wurde?
SG: Ja, durchaus. Und es hat ja später doch auch einige Ökonomen gegeben, die den Wert meiner Vorschläge anerkannt haben. Der berühmte Keynes zum Beispiel hat in seinem Hauptwerk meinen „antimarxistischen Sozialismus“ ausdrücklich gelobt. Und noch einige andere wie Dudley Dillard, Lawrence Klein, Roy Harrod, Maurice Allais usw. äußerten sich sehr wohlwollend über meine Gedanken. [83]
CvO: Sehen Sie, lieber Herr Gesell. Da besteht doch Hoffnung.
SG: Vielleicht bin ich tatsächlich manchmal zu pessimistisch, weil die anerkennenden Worte von Keynes und anderen über mich schnell wieder vergessen wurden und im akademischen Alltag keine Rolle spielen.
CvO: Aber wir sehen doch tagtäglich, wie die Probleme in Wirtschaft und Politik immer größere Ausmaße annehmen und wie hilflos ihnen die Politiker gegenüberstehen.
SG: Das ist ja das Schlimme, was mich so sehr beunruhigt. Wenn ich die heutigen Verhältnisse sehe, kommt tatsächlich die Befürchtung in mir auf, dass den Politikern die Krisenentwicklung noch einmal entgleiten könnte. Und mir kommt ein Satz in den Sinn, den ich unter dem Eindruck der großen Weltwirtschaftskrise geschrieben habe: „Die Regierung wird von links nach rechts und von rechts nach links pendeln. Und jeder Pendelschlag wird nur die Verwirrung, die Hilf- und Ratlosigkeit vermehren.“ [84]
CvO: Sind nicht in der Zwischenzeit auch Ihre Schriften gesammelt und neu herausgegeben worden?
SG: Ja, sie stehen in vielen deutschen und sogar in mehreren ausländischen Universitätsbibliotheken, auch hier in Oldenburg.
CvO: Das ist ja schon eine gute Voraussetzung für Forschungsarbeiten über Ihren Denkansatz.
SG: Am schönsten wäre es natürlich, wenn auch noch die Primär- und Sekundärliteratur und die Dokumente, die inzwischen über die Geld- und Bodenreform gesammelt wurden, in eine Universitätsbibliothek aufgenommen werden könnten, zum Beispiel als Quellensammlung in einem interdisziplinären Sonderforschungsbereich. Aber ich weiß natürlich nicht, ob die Zeit dafür schon reif ist.
CvO: Das vermag ich im Moment auch nicht zu beurteilen. Aber Sie könnten doch beginnen, sich über verschiedene Universitäten zu informieren und zu überlegen, wo ein solcher Sonderforschungsbereich verwirklicht werden könnte. Und falls Sie sich hierfür Oldenburg vorstellen könnten, lassen Sie es mich bitte wissen. Ich könnte Ihnen dann einige Personen nennen, die Sie ansprechen könnten.
SG: Danke für die Ermutigung, lieber Herr Ossietzky. Ich werde gern darüber nachdenken.
***
Nachdem sich Carl von Ossietzky und Silvio Gesell bei einer kleinen Mahlzeit im „Cafe Merlin“ noch über ganz andere Dinge unterhalten hatten, wurde es Zeit, sich voneinander zu verabschieden - zum Glück nicht für immer. Beide empfanden ihre Begegnungen in Berlin und Oldenburg als Beginn einer neuen wertvollen Freundschaft, die sie unbedingt weiterpflegen wollten. Deshalb versäumten sie nicht, ihre Post- und eMail-Anschriften sowie ihre Telefonnummern auszutauschen. Gesell war dankbar für die Aussicht, im Kontakt mit Ossietzky sein Demokratiebewusstsein zu stärken. Ossietzky war dankbar für die Möglichkeit, die von der strukturellen Macht des Geldes ausgehenden Gefahren für die Demokratie noch deutlicher erkennen zu können. Und beide spürten sie, dass eine Verbindung ihrer politischen und ökonomischen Denkweisen zum Frieden in der Welt beitragen könnte.
Anmerkungen:
[1] CvO, Ausverkauf (Nov 1919), in: Sämtliche Schriften Band 1, S. 145, und ders., Die Pazifisten (Okt 1924), in: Sämtliche Schriften Band 2, S. 375.
[2] CvO, Rechenschaft (Mai 1932), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 371 – 372.
[3] CvO, Kavaliere und Rundköpfe (Feb 1933), in: Sämtliche Schriften, Band 6, S. 468.
[4] Bruno Frei in seinem Nachwort zu: Carl von Ossietzky, Rechenschaft - Publizistik aus den Jahren 1913 –1933. Frankfurt 1972, S. 260.
[5] CvO, Kavaliere und Rundköpfe (Feb 1933), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 470.
[6] SG, Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld (1916/1920), in: Gesammelte Werke Band 11, S. 55.
[7] SG, Die gesetzliche Sicherung der Kaufkraft des Geldes - Denkschrift zu einer Eingabe an die Weimarer Nationalversammlung (1919), in: Gesammelte Werke Band 10, S. 247 – 264 und 328.
[8] SG, Internationale Valuta-Assoziation (IVA) - Voraussetzung des Weltfreihandels, der einzigen für das zerrissene Deutschland in Frage kommenden Wirtschaftspolitik (1920), in: Gesammelte Werke Band 12, S. 149 – 190. - Ders., Das Trugbild der Auslandsanleihe und ein neuer Vorschlag zum Reparationsproblem (1922), in: Gesammelte Werke Band 14, S. 95 – 126.
[9] SG, Verteidigungsrede (1919), in: Gesammelte Werke Band 12, S. 34.
[10] Vgl. Gesells Warnung vor einem weiteren Krieg aus dem Jahr 1923, in: Gesammelte Werke Band 14, S. 205 – 206, und ein Appell an die damalige Friedensbewegung, in: Gesammelte Werke Band 15, S. 253 – 257.
[11] SG, Vorwort zur 7. Auflage der Natürlichen Wirtschaftsordnung (Fragment 1929/1930), in: Gesammelte Werke Band 11, S. 402.
[12] CvO, Kommt Hitler doch? (Dez 1931), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 269.
[13] SG, Zur Tat! Zur Tat! Das Not-Wirtschaftsprogramm für die Einheitsfront (1921), in: Gesammelte Werke Band 13, S. 79 – 85.
[14] Zur sozialdemokratischen Kritik an Gesell vgl. Emil Lederer, Die Motive des Freigeldes, in: Der freie Angestellte, Nr. 10 / 1922. - Conrad Schmidt, Geld- und „Schwundgeld“-Zauberei - Silvio Gesells Erlösungsbotschaft, Berlin 1924. – CvO, Die Pazifisten (Okt 1924), in: Sämtliche Schriften Band 2, S. 374 – 375.
[15] Diese Mitarbeiter Gesells, die sich auch in der von Ossietzky 1924 mitbegründeten Republikanischen Partei Deutschlands (RPD) engagiert hatten, waren Hans Timm und Wilhelm Beckmann; letzterer war Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes der Angestellten. Vgl. hierzu die Anmerkungen 50 und 51.
[16] SG, Verteidigungsrede (1919), in: Gesammelte Werke Band 12, S. 24. – Vgl. auch Rolf Engert, Silvio Gesell in München 1919, Hann.-Münden 1986, S. 56.
[17] CvO über Landauer, Erzberger und Rathenau im Aufsatz „51 Prozent“ (Jun 1925), in: Sämtliche Schriften Band 3, S. 102.
[18] Wilfried Herz, Der peinliche Exporterfolg, in: Die Zeit Nr. 16 / 2005, S. 30.
[19] CvO, Sämtliche Schriften in 8 Bänden (hrsg. von Werner Boldt, Dirk Grathoff, Gerhard Kraiker und Elke Suhr) Reinbek bei Hamburg 1994. - Vgl. auch Elke Suhr, Carl von Ossietzky - Eine Biografie, Köln 1988, sowie mehrere vom Fritz-Küster-Archiv an der Carl-von-Ossietzky-Universität herausgegebene weiterführende Veröffentlichungen.
[20] Peter Panter (d.i. Kurt Tucholsky), Kurzer Abriss der Nationalökonomie, in: Kurt Tucholsky, Panter, Tiger & Co., Reinbek 1977, S. 161 – 163.
[21] Wilhelm Ostwald, Geld, in: Monistische Sonntagspredigten Nr. 98 vom 7.2.1914, S. 337 - 352 (Teil 1 mit einem Hinweis auf die Bodenreform auf S. 344) und Nr. 100 vom 7.3.1914, S. 369 – 384 (Teil 2). Während der 1920er Jahre engagierte sich auch Gesells Mitarbeiterin Hanna Blumenthal aus Berlin im „Deutschen Monistenbund“ und schrieb einige Beiträge zu den „Monistischen Monatsheften“, allerdings nicht zu reformökonomischen Themen: Platonische Liebe? (August 1927, S. 310 – 312); Über das Prophezeien (Oktober 1928, S. 339 – 342).
[22] Elke Suhr, Carl von Ossietzky - Eine Biografie, Köln 1988, S. 73 – 86, hier: S. 80 – 82. - Der Vorstellung zahlreicher Monisten vom Krieg als legitimer Form des Kampfes ums Dasein ist auch Gesell entgegen getreten; vgl. dazu einen im übrigen problematischen Aufsatz im Band 7 der Gesammelten Werke, S. 216 – 220.
[23] SG, Geld oder Krieg? (1912), in: Gesammelte Werke Band 7, S. 166 – 171, hier: S. 170.
[24] SG, Kriegsflugblätter Nr. 1 – 6 (1914 – 1915), in: Gesammelte Werke Band 8.
[25] Vgl. Elke Suhr, Carl von Ossietzky - Eine Biografie, Köln 1988, S. 79 – 80.
[26] Die Vorträge „Gold und Frieden“ 1916 in Bern und „Freiland als eherne Forderung des Friedens“ 1917 vor dem „Weltfriedensbund“ in Zürich wurden eingearbeitet in: Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, in: Gesammelte Werke Band 11, S. 55 – 71 und 210 – 233.
[27] CvO, Das werdende Deutschland (Dez 1918), in: Sämtliche Schriften Band 1, S. 104 - 111. - Der Aufmarsch der Reaktion (Jan 1920 über die deutsche Mafia), in: Sämtliche Schriften Band 1, S. 175. - Schutz der Republik – der große Mode (Sep 1924 über die Bürokratie), in: Sämtliche Schriften Band 2, S. 365. - Die National-Päderasten (Nov 1925 über den Untertanengeist), in: Sämtliche Schriften Band 3, S. 173.
[28] SG, Die Natürliche Wirtschaftsordnung, in: Gesammelte Werke Band 11, S. 67. - Ders., Das Reichswährungsamt (1920), in: Gesammelte Werke Band 12, S. 76.
[29] CvO, Deutschland ist ... (Nov 1928), in: Sämtliche Schriften Band 4, S. 519; vgl. auch S. 526.
[30] SG, Die gesetzliche Sicherung der Kaufkraft des Geldes - Denkschrift zu einer Eingabe an die Weimarer Nationalversammlung, in: Gesammelte Werke Band 10, S. 247 – 264. – Wir warnen vor der Fortsetzung des Experiments (1921), in: Gesammelte Werke Band 13, S. 111.
[31] CvO, Die nationalistische Internationale (Jun 1920), in: Sämtliche Schriften Band 1, S. 224.
[32] SG, Die Natürliche Wirtschaftsordnung, in: Gesammelte Werke Band 11, S. 67. - Das Reichswährungsamt (1920), in: Gesammelte Werke Band 12, S. 76 (Untertanengeist) und S. 62 (Antisemitismus). - Die Natürliche Wirtschaftsordnung, S. 63 – 64 (Rassismus). - Statuten der Vereinigten Staaten von Europa, in: Gesammelte Werke Band 15, S. 97 – 99 (Rassismus). - Die Rentenmark, die Goldnoten und ihre Zukunft, in: Gesammelte Werke Band 15, S. 146; vgl. auch S. 270 – 271. - Nervus rerum, in: Gesammelte Werke Band 1, S. 140 Antisemitismus). - Brief an Carlos und Martha Gesell vom 8.2.1923, in: Gesammelte Werke Band 18, S. 264 – 265 (Antisemitismus).
[33] CvO, 1525 – Florian Geyers Jahr (Apr 1925), in: Sämtliche Schriften Band 3, S. 60 – 63. - ders., Thomas Müntzer bei Frankenhausen - Gegen eine Geschichtslüge (Jun 1925), in: Sämtliche Schriften Band 3, S. 94 – 98.
[34] SG, Ein Fürstendiener als Präsident der Republik (1926), in: Gesammelte Werke Band 16, S. 190 – 192 (deutsche Geschichte). - Die Reparation als direkte Aktion des deutschen Proletariats (1923), in: Gesammelte Werke Band 14, S. 398 (Bauernkrieg). – Die Natürliche Wirtschaftsordnung, in: Gesammelte Werke Band 11, S. 226 (Überwindung von Herrschaft und Knechtschaft). – Gesammelte Werke Band 16, S. 166 – 171 und 195 (Großgrundbesitz).
[35] CvO, Das werdende Deutschland (Dez 1918), in: Sämtliche Schriften Band 1, S. 105. - Dem Glauben an eine allgemeine Höherentwicklung entsprach auch die Forderung im Programm der Republikanischen Partei Deutschlands (RPD) nach einem „Aufstieg der Tüchtigen aus allen Volksschichten“; vgl. die editorischen Notizen zum Band 7 von Ossietzkys Sämtlichen Schriften, S. 187 – 188.
[36] SG, Die Natürliche Wirtschaftsordnung, in: Gesammelte Werke Band 11, S. XX – XXI.
[37] CvO, Der Anmarsch der neuen Reformation (1919), in: Sämtliche Schriften Band 1, S. 126.
[38] SG, Die Natürliche Wirtschaftsordnung, in: Gesammelte Werke Band 11, S. XVI – XVII und 67. - Verhandlungsbericht (1920), in: Gesammelte Werke Band 12, S. 50. - An das Deutsche Volk (1921), in: Gesammelte Werke Band 12, S. 310.
[39] SG, Der Abbau des Staates nach Einführung der Volksherrschaft (1921), in: Gesammelte Werke Band 13, S. 48 und 62 – 63. - Der abgebaute Staat (1927), in: Gesammelte Werke Band 16, S. 302-303.
[40] Werner Onken, Zum Gegensatz zwischen Geldreform und Antisemitismus - Auseinandersetzungen mit Elmar Altvater und Peter Bierl; veröffentlicht auf der Website
http://www.sozialoekonomie.info/BasisInformation/basisinformation.html
[41] CvO, Das werdende Deutschland (Feb 1919), in: Sämtliche Schriften Band 1, S. 108 – 109.
[42] SG, Die modernen Geldtheorien, in: Gesammelte Werke Band 10, S. 184 – 185; Band 11, S. 324 – 325; Band 13, S. 188.
[43] CvO, Deutschland ist ... (Nov 1928), in: Sämtliche Schriften Band 4, S. 521.
[44] SG, Ford und die Juden (1923), in: Gesammelte Werke Band 14, S. 400.
[45] Karl Marx und Friedrich Engels, Das Kapital Band 3, in: Marx-Engels-Werke Band 25, Berlin-Ost 1973, insbesondere S. 387 – 397.
[46] SG, Denkschrift für die Deutschen Gewerkschaften zum Gebrauch bei ihren Aktionen in der Frage der Währung, der Valuta und der Reparationen (1922), in: Gesammelte Werke Band 13, S. 193 – 350. - Die Ausbeutung, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung - Eine Gegenüberstellung meiner Kapitaltheorie und derjenigen von Marx (1922), in: Gesammelte Werke Band 13, S. 351 – 398.
[47] Bruno Frei, Carl von Ossietzky, Rechenschaft - Publizistik aus den Jahren 1913 bis 1933, Frankfurt 1972, S. 257.
[48] Kurt Hiller machte Ossietzky „politische Konzeptionslosigkeit“ zum Vorwurf. „Die ‚Weltbühne’ sei relativistisch redigiert worden: Eine zufällig gemixte Buntheit der Meinungen ohne einigendes Band.“ (Elke Suhr, Carl von Ossietzky - Eine Biografie, Köln 1988, S. 145.
[49] CvO, Die Stillen im Lande (Aug 1928), in: Sämtliche Schriften Band 4, S. 447, und ders., Kommunistengesetz? (Mai 1929), in: Sämtliche Schriften Band 5, S. 119.
[50] SG, Die rote Garde vor Mammons Tempel (1922), in: Gesammelte Werke Band 14, S. 132 – 134. – Nach dem Sturz der Räteregierung (1923/24), in: Gesammelte Werke Band 17, S. 274.
[51] Zum RPD-Programm vgl. die editorischen Notizen im Band 7 von Ossietzkys Sämtlichen Schriften, S. 186 – 187. - Über die RDP vgl. den entsprechenden Artikel von Werner Fritsch, in: Dieter Fricke u.a. (Hg.), Lexikon zur Parteiengeschichte Band 4, Leipzig 1986, S. 94 – 96. - Elke Suhr, Carl von Ossietzky - Eine Biografie, Köln 1988, S. 107 – 111.
[52] Editorische Notizen im Band 7 von Ossietzkys Sämtlichen Schriften, S. 200. Wilhelm Beckmann war auch in der Liga für Menschenrechte aktiv, die weitere „Anhänger der Bodenreformbewegung und Proudhons“ als Mitglieder hatte. Vgl. dazu die editorischen Anmerkungen im Band 7 von Ossietzkys Sämtlichen Schriften, S. 170.
[53] SG, Bedenkliches bei Ortsgruppengründungen (1924), in: Gesammelte Werke Band 15, S. 65.
[54] CvO, Der letzte Kaiser (Mai 1928), in: Sämtliche Schriften Band 4, S. 369.
[55] CvO, Sämtliche Schriften Band 1, S. 709 (Franz Oppenheimer) und S. 989 (Pierre Proudhon).
[56] CvO, Kommt Hitler doch? (Dez 1931), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 270.
[57] CvO, Otto Strassers „Deutscher Sozialismus“ (Aug 1932), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 415.
[58] CvO, Rotkoller (Feb 1930), in: Sämtliche Schriften Band 5, S. 296. – Ein runder Tisch wartet (Mai 1932), Sämtliche Schriften Band 6, S. 365.
[59] CvO, Kommunistengesetz? (Mai 1929), in: Sämtliche Schriften Band 5, S. 116 – 126.
[60] CvO, Chronik (Aug 1927), in: Sämtliche Schriften Band 4, S. 183 – 185.
[61] CvO, Kommunistengesetz? (Mai 1929), in: Sämtliche Schriften Band 5, S. 124.
[62] CvO, Bilanz 1929 (Dez 1929), in: Sämtliche Schriften Band 5, S. 269 – 270. - Vgl. auch CvO, Der Schacht-Putsch (Dez 1929), in: Sämtliche Schriften Band 5, S. 252 – 254.
[63] SG, Fort mit Dr. Schacht! (1924), in: Gesammelte Werke Band 15, S. 193 – 198. - Schacht vor dem Geld- und Kreditausschuss (1926), in: Gesammelte Werke Band 16, S. 216 – 220.
[64] SG, Wir warnen vor der Fortsetzung des Experiments (1921), in: Gesammelte Werke Band 13, S. 110, und ders., Denkschrift an die deutschen Gewerkschaften (1922), S. 216; Band 14, S. 237 – 238 und 388 – 389 (Inflation); Band 15, S. 146, sowie Band 17, S. 269 (Deflation).
[65] CvO, Winterkönig (Feb 1931), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 36.
[66] Freiwirtschaftsbund (Hg.), Das befreiende Regierungsprogramm - Denkschrift des Freiwirtschaftsbundes an den Reichspräsidenten, an Reichsregierung, Reichsrat und Reichstag, Essen 1932. - In den Jahren 1930 bis 1932 fanden die Vorschläge Gesells und seiner Anhänger eine differenziert-kritische Unterstützung durch den damaligen Vorsitzenden der Deutschen Friedensgesellschaft Paul von Schönaich; entsprechende im „Dortmunder Generalanzeiger“ veröffentlichte Artikel wurden in Schönaichs nach dem zweiten Weltkrieg erschienenes Buch „Mein Finale“ aufgenommen (Flensburg 1947, S. 45 – 52, 81 – 82, 116 – 119 und 125.
[67] CvO, Deutschland ist ... (Nov 1928), in: Sämtliche Schriften Band 4, S. 519.
[68] Werner Onken, Natürliche Wirtschaftsordnung unter dem Hakenkreuz - Anpassung und Widerstand, Lütjenburg 1996.
[69] Richard Stöss (Hrsg.), Art. "Freisoziale Union", in: Parteien-Handbuch - Die Parteien der BRD 1945 – 1980. Band 2. Opladen 1984, S. 1410.
[70] SG, Die Natürliche Wirtschaftsordnung, in: Gesammelte Werke Band 11, S. 56.
[71] CvO, Otto Strassers „Deutscher Sozialismus“ (Aug 1932), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 412 – 413.
[72] SG, Die gesetzliche Sicherung der Kaufkraft des Geldes durch die absolute Währung (1919), in: Gesammelte Werke Band 10, S. 254 – 255; Internationale Valuta-Assoziation (1920), in: Band 12, S. 61 – 62.
[73] CvO, Otto Strassers „Deutscher Sozialismus“ (Aug 1932), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 415.
[74] SG, Leitsätze der Physiokratischen Politik, in: Gesammelte Werke Band 10, S. 300. - Die Natürliche Wirtschaftsordnung, in: Gesammelte Werke Band 11, S. 225 und 229 – 230.
[75] Peter Ulrich, Zivilisierte Marktwirtschaft - Eine wirtschaftsethische Orientierung, Freiburg 2005.
[76] Peter Ulrich, Zivilisierte Marktwirtschaft - Eine wirtschaftsethische Orientierung, Freiburg 2005, S. 162 – 167.
[77] CvO, Kulturbolschewismus (Apr 1931), in: Sämtliche Schriften Band 6, S. 87 – 88.
[78] SG, Das Trugbild der Auslandsanleihe (1922), in: Gesammelte Werke Band 14, S. 98. - Die Bewaffnung des Proletariats (1923), in: Gesammelte Werke Band 14, S. 224 – 227.
[79] Roland Geitmann, Demokratie im 21. Jahrhundert - Schritte notwendiger Entwicklung, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 122. Folge (1999), S. 11 – 17.
[80] John Stuart Mill, Grundsätze der Politischen Ökonomie (1871), Band 2, 6. Kapitel „Über den stationären Zustand“, Jena 1921, S. 387 – 396. - Vgl. auch John Maynard Keynes’ Vorstellung eines „quasi-stationären Gemeinwesens“, in: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes (1935), Berlin 1936/1974, S. 184f und 317.
[81] Zu Mills Bodenreformvorstellungen vgl. Michael Silagi, Henry George und Europa, München 1973, S. 26 – 57. - Hermann Heinrich Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden regeln für menschliches handeln (1853), Berlin 1927, S. 250 – 277. - Leon Walras, Theorie de la Propriété, in: Oeuvres Economiques Complètes Vol. IX, Nachdruck Paris 1990, S. 186 – 190. - Fritz Andres, Zur Klärung des Begriffs der Bodenrente, in: Fragen der Freiheit Nr. 261 (2002), S. 3 – 13. - Ders., Ökonomische Wirkungen einer Einführung von Zertifikaten oder Abgaben auf die Förderung fossiler Brennstoffe und die Emission von CO2 - Zum Interessenhintergrund des Rohstoff- und Klimaproblems, in: Fragen der Freiheit Nr. 261 (2002), S. 14 – 47. - Ders., Der Beitrag der Bodenreform zur Nachhaltigkeitsdiskussion, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 137. Folge (2003), S. 29 – 37. - Ders., Der Boden als Privileg und Kapitalgut, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 140. Folge (2004), S. 3 – 11.
[82] Vgl. hierzu http://www.sozialoekonomie.info/Forschung/forschung.html
[83] Quellenhinweise bei Werner Onken, A Market Economy without Capitalism, veröffentlicht auf der Website
http://www.sozialoekonomie.info/Info_Foreign_Languages/info_foreign_languages.html
[84] SG, Vorwort zur geplanten 7. Auflage der Natürlichen Wirtschaftsordnung (Fragment 1929/30), in: Gesammelte Werke Band 11, S. 402